ARMORED SAINT Befreit von allen Zwängen

Im Dialog mit Bassist Joey VERA, einem eloquenten und auskunftsfreudigen Gesprächspartner

Es gibt nicht viele Bands, die es schaffen bei ihren Live-Shows Fans unterschiedlichster Sub-Genres vor der Bühne zu vereinen. Eine davon ist definitiv ARMORED SAINT, deren Konzerte seit jeher zu sehr intensiven und mitreißenden Erlebnissen werden. Doch selbst wenn sich die Herrschaften deshalb damit rühmen dürfen als eine der weltbesten Live-Bands zu gelten und vor allem auf dem europäischen Kontinent auf ein überaus getreues Gefolge setzen können, haftet der Band nach wie vor der Ruf eines „ewigen Geheimtipps“ an. An diese Tatsache hat sich die Band allerdings längst gewöhnt, wie uns ein überaus redseliger und blendend gelaunter Joey Vera am Telefon wissen hat lassen, als er uns Mitte Oktober, also im Vorfeld der Veröffentlichung von "Punching The Sky" (Metal Blade Records / Sony Music), dem neuen Hammer-Album der Band Rede und Antwort stand:

Ihr habt nach wie vor den Ruf inne, eine der „unterbewertetsten“ Bands überhaupt zu sein. Und dass, obwohl eure Scheiben an sich durchweg sehr gut bis euphorisch ankommen. Hast Du eine Idee, woran das liegen könnte bzw. was da in der Vergangenheit schiefgelaufen ist?

Zunächst einmal möchte festhalten, dass wir es sehr zu schätzen wissen, wie loyal unsere Fans in Europa sind. Sie haben uns in all den Jahre die Treue gehalten und haben uns sowohl bei Konzerten, als auch durch Käufe, wenn wir neue Scheiben veröffentlicht haben, unterstützt. So etwas ist nicht selbstverständlich und daher ist uns auch bewusst, wem wir unseren guten Ruf zu verdanken haben.

Uns ist aber auch vollkommen klar, was wir in der Vergangenheit falsch gemacht haben. Wir waren in Europa einfach nicht ausreichend präsent! Wenn man bedenkt, dass wir zum Zeitpunkt unserer ersten Gigs bei Euch eigentlich schon drei Langeisen am Start hatten, darf es retrospektiv betrachtet niemanden wundern, warum der Name ARMORED SAINT bei Euch nicht viel größer ist. Diesbezüglich waren uns diverse Kollegen einfach einen Schritt voraus. Den entscheiden Schritt würde ich meinen. Dass unsere Karriere aber dennoch zumindest einigermaßen gut verlaufen ist, hat ebenso mit unseren Fans zu tun. Die wenigen Konzerte, wie etwa unser Europa-Live-Debüt im „Dynamo“ in Eindhoven sowie beim seinerzeitigen „Dynamo“-Festival im Jahr 1989, haben nämlich eine nach wie vor anhaltende Euphorie bei unseren Fans entfachen können, von der wir im Prinzip heute noch profitieren.

Da ist was dran, denn eure Alben lassen sich – wenn auch in kleinem Rahmen - auf jeden Fall als „Selbstläufer“ bezeichnen. Oder seht ihr das anders?

Grundsätzlich verstehe ich, was Du meinst, aber so ganz identifizieren kann ich mich mit dieser Aussage nicht. Schließlich würde wohl selbst uns ein solcher Status dazu verleiten, irgendwann doch ein „Nummer Sicher“-Album abzuliefern. Was heißt eines, wahrscheinlich eines nach dem anderen. Aber davon sind wir weit entfernt, auch wenn man die für uns typischen Elemente auf allen unseren Scheiben findet.

Kann man so unterschreiben und trifft logischerweise auch auf euer aktuelles Album "Punching The Sky" zu. Der Titel klingt nicht nur mächtig, er suggeriert zugleich auch eine gehörige Portion Selbstvertrauen, schließlich gilt der Himmel gemeinhin eher als „Limit“. Wie kommt’s?

Es ist nicht nur so, dass wir längst wissen, was unsere Fans von uns hören wollen und was wir zu liefern haben. Wir wissen selbstredend auch ganz genau, was wir können und daher auch, worauf es beim Schreiben der Songs ankommt.

Den Titel haben wir auf jeden Fall mit Bedacht gewählt, denn das berühmte Zitat vom Himmel als Limit trifft auf uns als Band ganz sicher nicht zu. Als John mit dem Text für den späteren Album-Opener "Standing On The Shoulders Of Giants" ankam und ich dieses Zitat vernommen hatte, war ich aber sofort Feuer und Flamme, denn "Punching The Sky" lässt eine ganze Menge an Interpretationsmöglichkeiten offen, hat dabei aber in jeder Auslegung eine Aussage. Außerdem lässt sich der Titel auch ganz gut auf uns als Band ummünzen.

In welcher Weise?

Im Prinzip spiegelt sich darin unsere Einstellung wider. Wir waren uns von Anfang an sicher, uns von nichts und niemandem aufhalten zu lassen und wollten uns auch, so weit das für eine junge Band möglich ist, von niemandem etwas Reinreden lassen.

Dafür braucht es aber nicht nur die entsprechende Einstellung, sondern selbstverständlich auch die Unterstützung der jeweiligen Business-Partner. Auch in diesem Fall haben wir Glück, denn wir können uns sowohl auf unser Management, als auch auf unsere Plattenfirma verlassen. Mehr noch, unser Label unterstützt uns nicht nur in allen Belangen, man gewährt uns auch sämtliche Freiheiten. Mehr kann man sich als Band gar nicht wünschen. Ich glaub‘ zum Beispiel nicht, dass es viele Bands gibt, die das Veröffentlichungsintervall ihrer Alben ganz nach ihrem eigenem Gutdünken gestalten können. Wir sehr wohl! Wir können wirklich befreit von allen Zwängen arbeiten und wissen das auch zu schätzen.

Das klingt in der Tat beneidenswert und kann wohl tatsächlich nicht von vielen "Konkurrenten" behauptet werden. Scheint eine für beiden Seiten zufriedenstellende Kooperation zu sein, oder?

Für uns auf jeden Fall [lacht]. Ich glaube aber auch, dass Metal Blade durchaus zufrieden sind mit uns. Und das nicht nur, weil wir eigentlich ganz nette und handzahme Kerle sind. Sondern in erster Linie, weil wir uns genauso loyal unseren Partnern gegenüber verhalten, wie wir das von unseren Fans gewohnt sind.

Soll heißen, die inzwischen fast schon zur Routine gewordenen fünf Jahre zwischen zwei Alben würde man Euch anderswo wahrscheinlich nicht durchgehen lassen?

Schwer zu beantworten, weil wir uns diese Frage noch nie stellen haben müssen. Das wiederum hat sich so ergeben, weil uns bislang eben noch nie jemand dazu genötigt hat auf die Schnelle mal ein Album rauszuhauen. Wahrscheinlich hat sich deshalb dieser Rhythmus bei uns eingestellt.

Dabei wäre dieses Mal niemand auf die Idee gekommen Euch anzukreiden, dass nichts weitergegangen wäre. Oder hatte der „Lockdown“ keinen Einfluss auf das Album?

Nein, nicht wirklich. Da wir zu diesem Zeitpunkt bereits mehr oder weniger fertig waren, kam es zu keinerlei Komplikationen bei der Fertigstellung. Die stellten sich aber bald darauf in Bezug auf alles, was den Konzertbetrieb betrifft, ein. Leider hat sich die Lage in der Zwischenzeit nicht wieder normalisiert, weshalb wir sämtliche Pläne über den Haufen schmeißen haben müssen.

Not macht bekanntlich erfinderisch, weshalb ihr zumindest eine Release-Show unter besonderen Bedingungen spielen werdet. Korrekt?

Exakt! Wir werden im legendären „Whiskey A Go Go“ ein Konzert geben, das online zu sehen sein wird. Dabei werden wir unter anderem auch vier Songs von "Punching The Sky" spielen um das Album zumindest einigermaßen zu präsentieren. Mehr ist diesbezüglich im Moment leider nicht zu machen. [Der Gig wurde erfolgreich absolviert und hat erwartungsgemäß ausnahmslos begeisterte Zuseher hinterlassen. Völlig egal, wie weit diese in der Realität zu diesem Zeitpunkt auch von L.A. entfernt gewesen sind...]

Von der "Konzertflaute" sind nicht nur ARMORED SAINT betroffen. Dich persönlich hätten wir in diesem Sommer an der Seite von King Diamond bei MERYFUL FATE in unseren Breiten erwartet....

Darauf hatte ich mich auch ganz besonders gefreut. Schließlich wurde ich von King Diamond persönlich ausgewählt, den damals schwer kranken und inzwischen leider verstorbenen Timi Hansen zu ersetzen. Die Vorbereitungen für die Reunion-Shows liefen perfekt und alles wartete darauf loszulegen. Doch dann kam uns dieses Virus dazwischen und wir werden wohl zumindest bis zum nächsten Jahr warten müssen.

Hoffentlich "nur" bis zum nächsten Jahr, Joey......

 

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