IRRWISCH

Ein Künstler stellt sich vor

An dieser Stelle möchten wir Euch den sehr talentierten und mittlerweile durchaus auch recht bekannten Künstler namens IRRWISCH vorstellen. Er hat unter anderem für HEXVESSEL oder DER BLUTHARSCH AND THE INFINITE CHURCH OF THE LEADING HAND gearbeitet und hat viel Interessantes zu berichten.

Vielleicht könntest Du Dich und Dein kreatives Schaffen unseren Lesern vorstellen, damit sie wissen, um wen bzw. um was es in diesem Interview geht. Vielleicht magst Du ja auch gleich ein paar Deiner Arbeiten anführen?

Unter dem Namen IRRWISCH bin ich seit dem Jahr 2013 aktiv, ich habe nach meinem ersten Jahr im Grafik Design Studium damit begonnen. Da habe ich einfach meine zwei Leidenschaften visuelle Kunst und Musik zusammen geführt und begonnen, neben dem Studium für Bands zu arbeiten. Anfangs nur für Freunde und Bekannte, allmählich hat sich das dann verselbstständigt und mittlerweile arbeite ich auf einem internationalen Level für Bands aus den unterschiedlichsten Genres. Das Projekt, auf das ich am ehesten stolz bin, war die Art Direction für das letztjährige Prophecy Fest, ich konnte dies mit meinem Masterstudium in Illustration kombinieren. Ich denke, das fasst meine technische Bandbreite auch ganz gut zusammen.

Wann genau hast Du gemerkt, dass Du im Bereich Grafikdesign arbeiten möchtest? Warst Du schon in der Kindheit bzw. frühen Jugend sehr kreativ oder hat sich das erst später heraus kristallisiert?

Als Kinder sind wir doch alle irgendwie kreativ. Die meisten Menschen hören nur irgendwann auf, sich auf diese Weise auszudrücken. Als jugendlicher Metalfan habe ich dann oft für mich selbst Cover zu Alben gestaltet, bei denen mir das Artwork nicht gefallen hat und ich der Meinung war, dass die Musik etwas Besseres verdienen würde. Ich habe mich nie gezielt dazu entschlossen, künstlerisch tätig zu werden. Das hat sich einfach so ergeben. Um ehrlich zu sein, fällt mir auch nichts ein, was ich sonst machen könnte. Mich langweilen die meisten Dinge einfach und der Gedanke, einem Job nachzugehen nur um damit Geld zu verdienen, ist mir nie gekommen. Ich bin auf der einen Seite unglaublich faul, wenn es um Dinge geht, die mir keinerlei Freude bereiten, aber auf der anderen Seite viel zu perfektionistisch, um etwas nur halbherzig zu machen. Da lasse ich es lieber gleich bleiben, bevor ich etwas schlecht mache.

Welchen Bildungsweg schlägt man am besten ein, wenn man früh (oder auch spät) bemerkt, dass man sich der grafischen Kunst widmen möchte? Ich frage jetzt einmal blauäugig, ob es in Zeiten von Hightech und Computern noch notwendig ist, dass man zeichnerisches Talent hat oder kann ein Computerprogramm allerhand ausmerzen, was man selbst nicht drauf hat? Und ist es notwendig, hierfür eine richtige Ausbildung zu machen oder kann man sich einen Teil der Fähigkeiten auch autodidaktisch beibringen?

Ich finde es nicht unbedingt notwendig, eine Ausbildung zu absolvieren, wenn man im künstlerischen Bereich tätig werden will. Man braucht die richtige Einstellung und genug Ehrgeiz, dann kann man sich auch alles selbst beibringen. Man muss nur den Finger aus dem Arsch kriegen und einfach anfangen, etwas zu tun und nicht darauf warten, bis es von selbst passiert. Das ist harte Arbeit!

Es ist jedoch natürlich hilfreich und vor allem beschleunigt es vieles, wenn du jemanden hast, der dir die technischen Aspekte näher bringt. Auf der anderen Seite sind Studien oft viel zu akademisch und man bekommt gesagt, dass man Dinge auf diese oder jene Art und Weise tun muss bzw. dass alles andere falsch ist. Das ist absolut unkreativer Blödsinn. Ich bin immer noch dabei, einige Sachen, die mir eingetrichtert wurden, wieder zu vergessen, um viel freier an die Arbeit heran gehen zu können.

Betreffend dem zeichnerischen Talent kommt es darauf an, was man ausdrücken möchte oder welchen Stil man verfolgt. Zu manchen Arbeiten braucht man dieses zeichnerische Talent nicht unbedingt. Dank diverser Computerprogramme kann man auch als eher ungeschickte Natur zu ästhetischen Ergebnissen kommen. Man muss sich eben zu helfen wissen, um seine eigenen Schwächen zu umgehen. Am Wichtigsten ist eine gute Vorstellungskraft und die kann man nicht erlernen, entweder man hat sie oder eben nicht.

Ich nehme an, wenn man mit dieser Arbeit beginnt, dann ist es sehr von Vorteil, eine explizite Ausbildung nachweisen zu können. War man jedoch bereits eine Weile im dem Bereich tätig , wird dann immer noch nach der genauen Qualifikation nachgefragt oder zählt das bisherige Schaffen als Garant dafür, dass man sein Handwerk versteht?

Da ich bisher immer nur selbstständig tätig war, kann ich dazu nicht viel sagen, aber soweit ich die Lage beurteilen kann, ist im kreativen Bereich deine Arbeit wichtiger als irgendwelche Abschlüsse oder Qualifikationen. Es kommt natürlich immer darauf an, wo man hin möchte. Wenn du dich in einer Agentur bewerben möchtest, ist es natürlich von Vorteil, wenn du Erfahrung vorweisen kannst, aber genau diese Erfahrung machst du auch nicht in irgendwelchen Universitätsgebäuden.

Wie hast Du Deine ersten Kontakte mit Bands geknüpft? Ist es hierfür hilfreich, wenn man Jemanden kennt, der oder die einen den entsprechenden Musikern und Festivalveranstaltern vorstellt bzw. empfiehlt?

Kontakte sind das Wichtigste und öffnen dir Tür und Tor, nur muss man diese Kontakte auch erst einmal knüpfen. Ich habe wie gesagt am Anfang einfach für Freunde und Bekannte gearbeitet und natürlich haufenweise Bands angeschrieben, ob sie nicht zusammen arbeiten wollen bzw. auf Konzerten die Leute angesprochen, deren Musik mir gefallen hat. In einigen Fällen hab ich auch einfach mal etwas gemacht und das dann der Band oder dem Künstler geschickt ohne vorher zu wissen, ob es gefällt oder überhaupt Verwendung finden könnte. Nach und nach baut man sich dann langsam ein kleines Netzwerk auf und dann passiert das Meiste durch reine Mundpropaganda. Aber gerade am Anfang bekommt man sehr viele Absagen oder einfach gar keine Antworten. Da darf man sich nicht unterkriegen lassen und muss einfach weitermachen.

Als IRRWISCH bist Du ja soweit ich das in Erfahrung bringen konnte, nur im Musikbereich tätig und auch da nicht unbedingt im massentauglichen Segment. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Du auch einen anderen Job hast, mit dem Du Dein Leben finanzierst. Hat der ebenfalls mit Grafikdesign zu tun oder ist Kunst eine reine Freizeitbeschäftigung?

Ich arbeite auch immer wieder mal für nicht musikbezogene Projekte, jedoch sind das dann eher Jobs, die ich mache, damit ein bisschen Geld herein kommt. Die Musikindustrie ist halt nicht besonders lukrativ. Ich habe im Moment keinen anderen Job und solange es irgendwie möglich ist, versuche ich als selbstständiger Künstler durchzukommen. Das ist aber rein mit Musik schwer möglich, vor allem, wenn man wie ich, nur mit Bands arbeitet, die man persönlich gut findet. Deshalb muss ich mein Einkommen mit anderen Projekten ausbalancieren, was mehr schlecht als recht ist, aber bisher war es nicht so sehr ein Problem, da ich ja noch studiert habe. Jetzt, da das Studium abgeschlossen ist, muss ich sehen, wie es weitergehen wird. Freizeit und Arbeit haben bei mir keine klare Trennung, das verschmilzt irgendwann, wenn man im Kreativbereich tätig ist. So etwas hat natürlich seine Vor und Nachteile.

Gab es auch schon Anfragen, die Du abgelehnt hast, weil Du aus welchem Grund auch immer mit dieser Band bzw. dem Musiker / Festival nicht arbeiten wolltest?

Dass ich Aufträge ablehne, passiert regelmäßig aus unterschiedlichsten Gründen. Ich habe auch schon Arbeiten für wirklich große Kunden und Projekte abgelehnt, denn wenn ich auf etwas keine Lust habe, dann kann ich es gleich bleiben lassen, sonst kommt nichts Vernünftiges dabei raus.

Wenn Du von Dir aus Bands kontaktierst, zählt hier Deine musikalische Vorliebe als Auswahlfaktor?

Ja natürlich, warum sollte ich eine Band anschreiben, die mir nicht gefällt? Wenn es nur ums Geld geht, dann gibt es eindeutig lukrativere Kunden als Bands.

Kam es auch schon vor, dass Dir zum Beispiel die Musik einer Band nicht so unbedingt zugesagt hat, die zwischenmenschliche Komponente jedoch so stimmig war, dass Du trotzdem für sie gearbeitet hast?

Ja, das kommt vor, wobei die Musik schon irgendetwas in mir auslösen muss. Wenn ich so gar nichts damit anfangen kann, will ich auch nicht damit arbeiten. Da ginge es rein um das Geld und dafür sollte ich mir wohl einen anderen Job suchen. Aber um deine Frage zu beantworten, ich arbeite lieber für Bands, deren Musik ich nur ganz gut finde, wo aber die Arbeitsstimmung und das zwischenmenschliche super funktioniert, als für Arschlöcher, die grandiose Musik machen. Leider erkennt man das nicht immer vorab und man merkt erst während des Arbeitsprozesses, dass die Zusammenarbeit nicht optimal abläuft.

Wenn jetzt ein Majorlabel an Dich herantreten würde und Dir Aufträge im kommerziellen Bereich (ein Cover für MANOWAR als Beispiel) anbieten würde, würdest Du annehmen oder ist es für Dich ein NoGo? Sprich, entscheidest Du Dich bewusst für den Underground, weil hier Dein Herz dran hängt?

Mir ist egal, wie groß eine Band ist, solange sie mir gefällt und ein Funke überspringt. Dass ich im Underground stecke, liegt wohl hauptsächlich daran, dass ich keinen definierten Stil pflege, der mich als Künstler repräsentiert. Das ist bei den meisten Illustratoren oder Grafikern jedoch der Fall.

Ich habe eine große Spannweite, was die visuellen Ausdrucksformen betrifft, und versuche eine eigene visuelle Welt für das jeweilige Projekt zu kreieren, welche die Musik sowohl inhaltlich als auch in der ausgeführten Technik bestmöglich repräsentiert. Im Optimalfall arbeite ich dann über Jahre hinweg mit einer Band zusammen und definiere eine eigene visuelle Identität für diese Band. Das geht vom Logo über die Plattencover bis hin zum Merchandise. Alles aus einer Hand, alles aus einem Guss, bis ins kleinste Detail.

Das ist aber leider absolut tödlich für die Vermarktung. Die Leute wollen, was sie kennen und deswegen sehen auch alle Plattencover gleich aus. Nimm den Death Metal Bereich her, da hat fast jede Band das gleiche Seagrave Gemälde. So etwas langweilt mich. „Tradition is the enemy of progress, repetition is the death of art“. Ich möchte lieber etwas Neues machen und der Band einen visuellen Charakter verleihen, ein eigenes kleines Universum beschwören.

Und so kommen wir zu dem Problem mit größeren Bands, die es schon länger gibt. MANOWAR ist ein gutes Beispiel, denn die haben bereits ein sehr definiertes visuelles Image. Wie soll ich da das Rad neu erfinden? Ganz abgesehen davon, dass die Band Scheiße ist. Es ist viel spannender, mit Bands zu arbeiten, die gerade erst am Beginn ihrer Karriere stehen, aber das dauert dann natürlich, bis die bekannt werden.

Wenn Du Konzerte besuchst, schaust Du Dir automatisch die Logos, Shirts oder Tourposter an und wertest sie unbewusst oder auch bewusst an Deinen Arbeiten? Oder kannst Du so ein ich sag jetzt mal banal „Konkurrenzdenken“ komplett ausblenden?

Ich kann nicht einmal durch den Supermarkt gehen, ohne die ganzen Verpackungen zu analysieren und zu bewerten. Aber das hat nichts mit Konkurrenz zu tun. Ich muss mich mit niemandem messen. Es ist eher inspirierend, weil ich mir oft denke, dass dies und jenes doch viel besser ginge.

Woher beziehst Du Deine Inspiration? Gibt es Maler oder andere Künstler, die einen Einfluss auf Deine Arbeiten haben? Oder inspiriert Dich auch Musik zu Deiner Kunst?

Natürlich gibt es Künstler, die mir gefallen und die mich inspirieren, aber das geschieht meist weniger durch ihre Werke als durch die Art, wie sie denken und ihr Leben leben. Das Leben eines Menschen ist für mich wie ein Gesamtkunstwerk, ich versuche das große Ganze dahinter zu sehen. Aber in meinen Illustrationen ist es natürlich meist die Musik, die mich inspiriert. Beim Hören entstehen die Bilder vor meinem inneren Auge ganz von selbst, was wohl auch der Grund dafür ist, dass ich hauptsächlich in der Musikbranche tätig bin und in dieser nur mit Bands arbeiten kann, die mir gefallen und die etwas in mir auslösen. Wenn mir die Musik gar nichts gibt, entstehen auch keine Bilder, also kann ich damit nicht arbeiten, ganz einfach.

Was hörst Du Dir an, wenn Du kreativ tätig bist? Brauchst Du dazu Musik, die Dich innerlich berührt oder könntest Du auch bei diffusem Radioblablagedudel arbeiten?

Bei der Ideenfindung höre ich logischerweise die Musik, die ich visualisieren soll. Wenn es dann um die Umsetzung geht, höre ich meist etwas völlig anderes, damit es nicht zu eintönig wird. Ich gleiche aber immer wieder ab, ob ich mich nicht zu weit vom Sound der Band entfernt habe.

Malst Du zum Beispiel auch gerne mit Acryl- oder Ölfarben auf Leinwänden oder anderen Materialien oder bist Du eher der Zeichner, der mit Bleistift und Papier arbeitet?

Ich verwende, was gerade nötig ist, um das Bild, dass sich in meinem Kopf auftut, bestmöglich zu repräsentieren. Sehr gerne verwende ich auch Materialien und Techniken, mit denen ich keine Erfahrung habe, zum Beispiel Tusche, Acryl, Öl, Linol und Holzschnitt, Aquarell, Fotografie, rein digitale Sachen mit Photoshop oder Illustrator oder ähnliches. Das macht die Sache spannender und ich finde, dass eine gewisse Limitierung in den gegebenen Möglichkeiten sehr förderlich für den Ausdruck des Bildes ist. Andernfalls sieht am Ende wieder alles gleich aus.

Kannst Du zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Abruf Deine Aufträge erledigen oder bedingst Du Dir eine gewisse Zeitspanne für die Abgabe Deiner Arbeiten aus, weil Du eben eine spezielle Stimmung bzw. Umgebung brauchst, um auch wirklich entspannt an das Werk heran zu gehen?

Nein, ich muss in einer bestimmten Stimmung sein, denn nur dann fließt es einfach so aus mir raus. Wann, wo und wie diese Stimmung auftritt, kann ich bisher noch nicht vorhersagen. Ich bin jedoch definitiv eine Nachteule, denn vor achtzehn Uhr bin ich meist völlig unbrauchbar für kreativen Output.

Gibt es bestimmte Situationen oder Lebenslagen, wo die kreative Ader einfach abgeschnürt ist? Wo Du von vorn herein schon weißt, dass konzentriertes Arbeiten jetzt genau gar nicht möglich ist? Kannst Du darauf auch immer Rücksicht nehmen oder gab es auch schon Situationen, wo Du etwas fertig bekommen musstest, obwohl Du eigentlich mit Deinem Kopf ganz woanders warst?

Natürlich gibt es Phasen, wo einfach gar nichts geht und man nur leer ist. Oft hilft es aber, wenn man sich dann einfach zwingt, dann kommt die Lust von alleine. Manchmal muss man jedoch auch warten und es sich gemütlich machen, bis einen die Muse küsst. Dass ich eine Deadline nicht einhalten konnte, weil mir die kreative Energie gefehlt hat, ist jedoch noch nie eingetreten, auch wenn es hin und wieder knapp werden kann.

Woran arbeitest Du im Moment gerade bzw. was sind die nächsten Projekte, die in Planung oder schon schon fixiert sind? Gibt es irgendeine Band oder ein ein Festival, für die oder das Du unbedingt arbeiten möchtest? Also so eine Art „Traum“, den Du Dir erfüllen möchtest?

Im Moment arbeite ich neben diversen Plattencovern mit meinen Freunden von KVLT & KNOCHEN und LEAFHOUSE COLLECTIVE an einem Musikvideo für die Sludge / Doom Band SIXES, was total spannend ist, da es ein Bereich ist, in dem ich bisher noch nicht viel machen konnte. Mein Traum ist, von den Artworks einigermaßen leben zu können und genug Zeit zu haben, auch wieder einmal etwas nur für mich zu machen. Ich arbeite ja eigentlich ständig für jemand anderen und komme gar nicht mehr dazu, völlig frei für mich selbst herum zu spinnen. Aber Träume sind Schäume …

Ich weiß nur, dass ich erst am Beginn bin und nicht bei Bandartworks stehen bleiben werde. Ich fange zum Beispiel gerade an, Musik zu machen, wenn auch vorerst nur für mich selbst. Wohin der Weg geht, das wird sich zeigen.

Hast Du zum Abschluss dieses Interviews einen Ratschlag für die Kreativen unter unseren Lesern? Es gibt sicher viele Menschen darunter, die talentiert sind, aber sich vielleicht nicht trauen, mit ihren Werken an die Öffentlichkeit zu gehen.

Finger aus dem Arsch, weniger nachdenken und einfach machen!

Tja, wo Du Recht hast, hast Du Recht! Wir wünschen Dir alles Gute und hoffen, noch viel von Dir zu sehen bzw. eventuell auch zu hören.