MARI BOINE See The Woman

MPS

Musik unter Mitwirkung von Mari Boine verspricht immer außergewöhnliches. Dies ist auch bei ihrem ersten englischsprachigen Album der Fall.

Die Sängerin stammt aus dem europäischen Teil des nördlichen Polarkreises und ist Sami. Sie pflegt den Joik-Gesang, sowie schamanische Traditionen und Riten (bitte nicht mit Esoterik verwechseln). Ihren unvergesslichen Gesang hörte ich erstmals auf dem Album "Twelve Moons" (ECM, 1992) vom norwegischen Jazz-Saxofonisten Jan Garbarek (im Zuge dieser Tour sogar live). Seither veröffentlichte Mari Boine ca. 13 Alben und ein weiteres mit Jan Garbarek (das grandiose "Visible World", ECM, 1995).

"See The Woman" ist allerdings (ein Song ausgenommen) das erste Album von Mari Boine mit englischen Liedtexten und wurde angekündigt als "A melancholic, spherical pop sound meets a sophisticated lyrical concept". Und tatsächlich sind die World- und Jazz-Elemente auf "See The Woman" stark in der Minderheit. Überraschung, denn eigentlich zählt MARI BOINE zu jenen Sängerinnen, die in musikalischen Zwischenwelten ihre Heimat fanden, nämlich zwischen World Music und Jazz. Zudem ist sie Vermittlerin von Lebenskonzepten in (für viele) fremden Lebensräumen.

Warum sie nach so vielen Alben und nach so vielen Jahren erstmals ein Album in englischer Sprache veröffentlicht, erfordert eine Erklärung, die uns Boine nicht verweigert: "I have been singing in my native language for 30 years. It was time to do something different. It was a real challenge to compose the music that I dreamt about when I was young. It’s not like I have left the shamanistic beat and the wilder expressions in my music. This is just another side of me. In a way, I am going back to who I was when I started making music. What I do is storytelling about life." Die Sami ist auch stets ein Garant für exzellente Melodien gewesen, und dies ist bei "See The Woman" nicht anders, im Gegenteil, hört nur mal in Songs rein wie "Happily Ever After", "2-4-6-7-8-9 In One", "Some Say I Got Devil" oder dem Titelsong.

Vom Repertoirewert ist es vermutlich ihr bisher bestes Album, auch wenn manche Songs (wie z.B. "Yes") leider einen üblen 1980er Jahre Sound verpasst bekamen. Aber selbst solche Produktionsfettnäpfchen können begeistern, was am Gesang von Mari Boine und/oder an der starken Melodie liegt. Mari Boine schafft es recht locker ihrer Musikkarriere eine neue Facette zu verleihen. "See The Woman" ist ein sensibles Kunstwerk von einer der herausragenden Sängerinnen unserer Zeit, die mit anspruchsvoller Lyrik die Rolle der Frauen in unserer heutigen Gesellschaft reflektiert und dabei musikalisch neue Pfade beschreitet. World-Pop vom Feinsten.