STARPILOTS We Are So Busy Doing Things

Starpilots

Wie gut gereifter Wein: Nach 14 Jahren ein neues Album der altgedienten Wiener Indie-Pop-Band

Dies ist kein Review im herkömmlichen Sinn sondern eher eine persönliche Nostalgiegeschichte. Die STARPILOTS fanden ihren Ursprung 1993 als SCAPEGOAT in meinem Heimatort Waidhofen/Ybbs im Niederösterreichischen Mostviertel. Ich gründete zu der Zeit mit Freunden eine Punkband namens E.M.S. – Johannes Prem und Thomas Schauppenlehner von SCAPEGOAT gingen ebenfalls ins örtliche Gym und waren ein paar Jahre älter. Während wir vom Metal kommend uns für Punk und Hardcore zu interessieren begannen, waren sie große Fans von Post-Punk und Indie-Rock, von Bands wie JOY DIVISION, SONIC YOUTH, SISTERS OF MERCY, DINOSAUR JR., THE SMITHS oder LEMONHEADS. Und waren dadurch für meine persönliche musikalische Sozialisation definitv mitverantwortlich, meine damals überspielten Kassetten von genannten Bands und noch einigen mehr fanden ihre CD-Quelle im Jugendzimmer von Johannes Prem. Für diesen Bereich meiner musikalischen Vorlieben waren sie neben insbesondere Paul King’s „MTV 120 Minutes“ ein wesentlicher Baustein. Genannte Bands gehören heute noch zu meinen absoluten Lieblingen. Und die Kassetten hab ich auch bis heute aufgehoben. Unser erstes Konzerte mit E.M.S. spielten wir natürlich mit SCAPEGOAT und wir tauschten uns regelmäßig über Musik, Musikmachen, Produzieren und Veröffentlichen aus. Bald verschwanden sie natürlich gen Wien zum Studieren und wir mussten noch ein paar Jährchen in der Provinz ausharren bevor es ebenfalls in die große Stadt ging. SCAPEGOAT fanden bald weitere Mitglieder in Form von Sänger Gernot Grassl und Gitarrist Horst Rüger, wendeten sich immer mehr popiger Elektronik (PLAY THE TRACKS OF, NEW ORDER, DEPECHE MODE) zu, erweiterten den Bandnamen in SCAPEGOAT DE:LUXXE und veröffentlichten das Album „Stories From The Research Labs“. Als Johannes Prem 2001 ausstieg nannten sie sich in STARPILOTS um und veröffentlichten 2007 das Album „Population“ womit sie im nationalen „Fm4 Universum“ auch einige Erfolge erzielen konnten.

Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit als Booker für Planet.tt (Planet Music, ((szene)) Wien, Gasometer, Donauinselfest) mit Schwerpunkt auf Indie/Alternative traf ich die Jungs dann wieder auf dem einen oder anderen von mir organisierten Konzert, die Abstände wurden mitunter sehr lang, gänzlich schien sich der Kontakt aber nicht zu lösen.

Seit 1993 sind nun also sage und schreibe 28 Jahre vergangen und STARPILOTS veröffentlichen nach 14 Jahren ein neues Album namens „We Are So Busy Doing Things“. Die Band war nie aufgelöst, der Titel erklärt alles: Familien, Kinder, Jobs, Karrieren, Auslandsaufenthalte, die Zeit vergeht ja wie im Flug. Menschen in unserem Alter kennen das, ein Blick in den Spiegel auf die grau werdenden Haare bestätigt. Umso cooler finde ich's inzwischen wenn Leute „von damals“ noch immer tun und nicht (wie in der Regel) nach dem Studium die Sache bleiben haben lassen. Also wenn sie halt keine Rockstars geworden sind mein ich. Natürlich hat das nicht zwangsweise irgendwas mit "bürgerlich" oder nicht zu tun, aber trotzdem! Aber Trotzdem!

Für das neue Album haben sie sich nun weißes, schweres Vinyl, handnummeriert, Downloadcode und CD-Digipack geleistet, wie es würdig und recht ist für Mittvierziger 2021, neben der Historie wird dies aber auch durch den musikalischen Inhalt gerechtfertigt. Wie mir erzählt wird, sind sie inzwischen eine Do-It-Yourself-Band in einem Ausmaß wie ich das selber nie betrieben habe. Sie haben sich alle Skills von Aufnehmen über Mixen, Mastern, Produzieren und Releasen angeeignet. Viel Trial und Error, viel Verwerfen und neu machen, viel Zeit & Energie, viel Lernen und schlussendlich Belohnung. Musikalisch findet sich Material aus mindestens 14 Jahren und darüber hinaus, vieles wurde über die Jahre mehrfach gänzlich neu überarbeitet, die Songs und Aufnahmen entstanden im Proberaum aber auch Zeit- oder Lockdown-bedingt im virtuellen Cloud-Austausch. STARPILOTS sind inzwischen absolute Meister ihres Tuns, auch wenn sie nicht gerade hyperaktiv waren, aber soviele Jahre machen sich einfach bezahlt, hier klingt kein Funke mehr nach jugendlicher Unbeholfenheit oder Zufall. Und an Stilsicherheit hat es ihnen sowieso nie gemangelt. Wenngleich ich schon gestehen muss, dass mir persönlich die minimalistisch-kühlen, roboterhaften Anfangstage im Duo mit Drumcomputer und auch die späteren elektronischen Phasen mehr getaugt haben. Als STARPILOTS wurden sie zur Indie-Pop/Rock-Band in klassischer Bandbesetzung mit analogem Schlagzeug und 2 Gitarren die sich zwischen klirrenden THE SMITHS Post-Punk, experimentellen Pop aber auch Rock und sogar Blues bewegen. Die immer hypermelodische Stimme von Gernot Grassl bleibt immer das zentrale, tragende Element der, nun, letztlich doch Pop-Songs der STARPILOTS. Elektronik kommt so gut wie nicht mehr vor, dafür Gastinstrumente wie Trompete, Klavier, Chöre oder eine weibliche Duettstimme. In „El General“ und dem Abschlusssong „Everything Will Be Good Soon“ wagen sie sich sogar an Crooner-Balladen, die schon Qualitäten in Richtung Lee Hazlewood / Nancy Sinatra aufweisen. Auch dies, absolut gelungen.

Ich freue mich, mit dem Jungs dann im Pensionsalter mal ein Bier zu trinken und dabei wieder mal auf unsere gerade allerneuesten Plattenreleases zu blicken. Rockstars werden wir immer noch nicht sein. Aber zufrieden.

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