VARDIS 100 M.P.H. @ 100 Club

Steamhammer / SPV

Auch für Live-Alben der Band gilt: "Guaranteed No Overdubs!"

 

 

Diese, in den frühen 70er Jahren als QUO VARDIS gegründete, aber noch vor der ersten Veröffentlichung umbenannte, und ab diesem Zeitpunkt nur noch unter dem Banner VARDIS firmierende Band, hat es geschafft, sich bereits mit ihrem ersten Album zu einer Underground-Legende zu machen.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist das Debüt "100 M.P.H." 1980 zu einem Zeitpunkt erschienen, an dem Musik-England gerade dabei war eine Horde an jungen, hungrigen, wild rockenden Formationen als Gegenpol zum wieder abebbenden Punk ins Herz zu schließen. Und zum anderen, stellten die aus West Yorkshire stammenden Jungs damit zugleich auch ihre Live-Power unter Beweis, die auf diesem Tonträger festgehalten werden konnte.

Die an das Album anschließende Tournee (zusammen mit HAWKWIND) war dementsprechend gut besucht und machte die Rock-Szene im UK regelrecht gierig auf das erste „echte“ Studioalbum "The World’s Insane". Dieses folgte 1981 und konnte den guten Ruf der Band vollends gerecht werden. Das Album enthielt neben diversen locker-flockig aus der Hüfte geschossenen Rockern wie 'Police Patrol' auch eine gelungene Interpretation des wohl größten Hits ihre vorherigen Tournee-Kollegen. Unbeantwortet ist bis heute lediglich die Frage, ob zwischen der Textzeile "It's your Zodiac Sign, I've got a Silver Machine" und dem VARDIS-Oberhaupt tatsächlich ein direkter Zusammenhang besteht.

Von der Handschrift von Bandchef Steve Zodiac ist aber nicht nur diese VARDIS-Scheibe geprägt. Er ignorierte auch in Zukunft sämtliche Anliegen der Industrie und orientierte sich nicht einmal ansatzweise – wie ihm empfohlen, und später aufgetragen - an den zum damaligen Zeitpunkt angesagten US-Bands, sondern stellte seine Vorliebe für Blues-infiltrierten Boogie und harten Rock auch weiterhin in den Fokus. Mehr noch, als Reminiszenz an die eigene Vergangenheit sowie dem abermaligen Hinweis darauf, dass er die Truppe einst als STATUS QUO-Tribut-Band ins Leben gerufen hatte, folgte im Jahr darauf "Quo Vardis". Heutzutage als Klassiker der NWOBHM betrachtet, sorgte man anno 1982 für reichlich Verwirrung bei der britischen Presse, schließlich integrierten die Jungs aus der Nähe von Leeds in ihren griffigen harten Rock neben einem Saxophon auch Dudelsack- und Mandolinen-Klänge.

Danach geriet die Karriere der Band auf Grund einiger Umbesetzungen, und eines daraus resultierenden Rechtsstreits jedoch gehörig ins Stocken. Mehr noch, Steve war dermaßen frustriert vom Musik-Business, dass er nach dem Album "Vigilante", einer persönlichen Abrechnung mit den trügerischen Machenschaften in der Branche, einen Schlussstrich zog, und sich für lange Jahre ins Privatleben zurückzog.

Doch seinen treuesten Fans gelang es, ihn über soziale Medien auszukundschaften und zu einem Comeback zu überreden. So kam es, dass nach der kurz zuvor in Eigenregie eingetüteten EP "200 M.P.H." mit "Red Eye" ziemlich genau 30 Jahre nach dem vom Mastermind runtergerotzten "Vigilante" ein neues VARDIS-Album in Umlauf kam. Dieses wurde von Fans und Presse gleichermaßen gutgeheißen, ebenso die Auftritte der Band, die selbst im Vorprogramm von NAPALM DEATH bestehen konnte. Logisch daher, dass Steve seinen Frust endgültig ablegen hat können, und die Band seither wieder mit all den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vorantreibt.

Zwar ging zuletzt Co-Vid-19-bedingt logischerweise nicht viel, zumindest jedoch konnten VARDIS am 13. März 2020 noch einmal richtig loslegen. Während in Mitteleuropa zu diesem Zeitpunkt das Licht sämtlicher Bühnen bereits auf unbestimmte Zeit erloschen war, buchten VARDIS den renommierten "100 Club" in der Londoner Oxford Street und ließen das Publikum während des knapp zweistündigen Auftritts alles andere rundherum kurzzeitig vergessen.

Da dieser Auftritt auch für die Band ein ganz spezieller gewesen ist, haben sich Steve und seine beiden Kollegen Joe Clancy (Schlagzeug) und Roly Bailey (Bass) dazu entschlossen, den Gig in Form eines Tondokuments für die Ewigkeit festzuhalten. Das gute Stück trägt den unmissverständlichen Titel "100 M.P.H.@100 Club" und erscheint wahlweise als Doppel-CD oder Doppel-Vinyl-(Gatefold, 140 g Vinyl, schwarz)-Ausgabe.

Mit Ausnahme des nur auf Vinyl verewigten Bonus-Materials in Form des '100 Soundcheck', ist die Tracklist deckungsgleich. Das Programm des Trios könnte auf jeden Fall auch als "Best Of"-Compilation veröffentlicht werden, und umfasst alle bekannten Titel, aber auch die ausgelassene Stimmung im kleinen, wie feinen Laden konnte gut eingefangen werden. Da sich VARDIS seit jeher einzig und allein auf Vollgas-Rock eingeschworenen haben, bekommt man eine stattliche Anzahl von 20 Songs zu hören. Die leben nach wie vor vom ambitionierten wie lässigen Vortrag des Chefs, der den Boogie nicht nur im Blut, sondern wohl auch in seiner Schlaghand hat.

Der Reigen wird fast schon erwartungsgemäß mit dem seinerzeitigen "100 M.P.H."-Opener 'Out Of The Way' eröffnet. In weiterer Folge kommt das Album auch nahezu komplett zur Aufführung, wobei sich der um einen lässigen Instrumental-Teil erweiterte Titelsong, der es in dieser Live-Fassung auf knapp 10 Minuten bringt, als Höhepunkt erweist. Aber auch "The World‘s Insane" ('Steamin‘ Along') und "Quo Vardis" wurden berücksichtigt. Einzig, weshalb die ursprünglich auf zweitgenanntem Dreher enthaltene Hymne 'Where There's Mods There's Rockers' inzwischen zu 'Mods & Rockers' geworden ist, hinterlässt Fragen.

Sei's drum. Wirklich überraschend kommt eher, dass das vom Bandoberhaupt mittlerweile nicht mehr wirklich hoffierte "Vigilante“ ebenso zu Ehren kommt. 'Radio Rockers' fügte sich aber schon damals prima in den Bandkontext ein, und tut das auch noch immer. Das gilt logischerweise auch für die mit fast schon überschäumender Spielfreude dargebotenen Auszüge von "Red Eye", das mit dem Titeltrack, 'Paranoia Strikes' und 'Jolly Roger' sogar durchaus prominent vertreten ist.

Sound-Fetischisten und Klangtechnik-Fanatiker sollten sich zwar nicht allzu viel erwarten, doch VARDIS stehen eben auch anno 2021 für handgemachten, harten Rock, und leben auch auf dieser Live-Scheibe ihr altbekanntes Motto „GUARANTEED NO OVERDUBS“ voll und ganz aus!

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