ARCTIC SEA SURVIVORS

Doom Metal aus der Steiermark

In Österreich gibt es in den letzten Jahren eine wirklich sehr ansprechende Metalszene, zu der auch die ARCTIC SEA SURVIVORS zählen. Das war mehr als ein guter Grund, um den Herrschaften ein paar Fragen per E-Mail zu senden.

Das Internet behauptet, die ARCTIC SEA SURVIVORS seien seit 2014 aktiv. Könnt Ihr bitte ein paar mehr Details zur Bandgeschichte nennen? Wie habt Ihr Euch kennengelernt? Habt Ihr alle den gleichen musikalischen Background oder kommt ihr aus unterschiedlichen Stilrichtungen?

Zu Beginn bestand ARCTIC SEA SURVIVORS nur aus drei Überlebenden, die sich alle schon seit längerem kannten und in dieser Besetzung haben wir auch 2014 das Demo produziert. Den Anstoß gab es durch mich (Survivor I), der schon einige Ideen alleine vorbereitet hatte und die anderen quasi überzeugte, dass man sich besser als Kollektiv durch die Soundlandschaften schlägt. Während einer mehrmonatigen Soloexpedition von Survivor I stieß Survivor 4 als Ersatz dazu, er wurde aber recht schnell fixes Mitglied der Besatzung unseres Doom Schiffes. Wir haben eine gewisse Schnittmenge und eine Liebe zu Extremen in der Musik und dennoch hat jeder seine eigenen Vorlieben, die eine einzigartige Mischung hervorbringen. Darüber hinaus ist jeder Survivor auch noch in zumindest einem anderen musikalischen Projekt aktiv.

Ihr habt vor kurzem Euer Debütalbum „Into Barren Lands“ via Talheim Records veröffentlicht. Seid bitte so nett und beschreibt die Songs für unsere Leser.

Sima des Los Huesos“: Der Songtitel bedeutet „Höhle der Gebeine“ und diese Höhle stellt eine Art Rückzugsort da, um in einer spirituellen Weise in sich zu gehen oder mit den Geistern jener Lebewesen zu sein, die nicht mehr unter uns sind. Es handelt sich sozusagen um eine Art Tor zur Anderswelt.

As we float pt.1 – Passing the Void“: Die Trilogie beschäftigt sich mit der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition, welche Franz-Josef Land entdeckte und schließlich im arktischen Eis eingeschlossen wurde. Bei “Passing the Void” geht es um die Aufbruchstimmung und die Fahrt durch die Leere, hin zu einem Ziel, welches unbekannt ist und es herrscht Ungewissheit, ob und wie es überhaupt erreicht werden kann.

As we float pt.2 – Graves on the Horizon“: In den endlosen Weiten des Eises und des Ödlands ist man auf der Reise nicht nur dem Tode nahe, sondern man entdeckt auch Ruhestätten jener, die am Weg bereits gescheitert sind. Diese Monumente erinnern uns stetig an die Vergänglichkeit und die Endlichkeit wie auch an das, was wir im Leben zurücklassen mussten, wenn auch oft nur als ferner Punkt am Horizont.

As we float pt.3 – Into Barren Lands“: Dieses Epos steht für den langen Rückweg, welchen die Expedition durch die karge und öde Eiswüste antreten musste. Dieser war voll von Entbehrung und Verlust, es forderte einem alles ab und der Kampf schien nahezu aussichtslos. Jedoch finden jene, die solch eine dramatischen Situation überstehen, mit gestärktem Geist und Körper ins Leben zurück, für immer verändert.

On older Tides“; Der Song ist wie eine pulsierende Erinnerung an ältere Zeiten, er steht als eine Art Rückblick aber auch als Hommage an die Vergangenheit. Wenn wir uns auf das besinnen was war und es schätzen, können wir auch leichter in die Zukunft blicken.

Die Songs lassen sich auf eine gewisse metaphorische Weise auch ins innere Wesen des Menschen übertragen.

Wie waren die bisherigen Resonanzen auf das Album? In welchem Rahmen bekommt eine Undergroundband heute Promotion? Welche Reichweiten kann man da erzielen? Beschränkt sich der Bekanntheitsgrad auf den deutschsprachigen Raum oder habt Ihr auch schon Reaktionen aus dem restlichen Europa erhalten?

Promotion ist in diesen Tagen etwas ganz anderes als noch vor 15 - 20 Jahren, als einige von uns mit ihren ersten Projekten aktiv waren. Die Welt ist sehr viel digitaler und überladener geworden, das Angebot ist schier endlos. Als Undergroundband sind die Möglichkeiten der Promotion auch eingeschränkt, die meiste Aufmerksamkeit erhält eine Band durch Konzerte und Festivals, Mundpropaganda oder indem man etwas Außergewöhnliches produziert. Doch selbst dann ist nicht sicher, dass du auch gehört wirst. Es hängt auch viel damit zusammen, ob du zur rechten Zeit am richtigen Ort bist. Wobei prinzipiell ja die Reichweite durch das Internet quasi unbeschränkt sein sollte.

Die Frage: „Wen will ich überhaupt ansprechen?“ ist dabei auch fundamental. Lieber haben wir weniger Fans, die sich mit unserer Musik auch wirklich auseinandersetzen, als eine seelenlose Masse, die beim Konzert nur mitschunkelt.
Unser eigener Bekanntheitsgrad ist noch sehr auf Österreich und Deutschland beschränkt, jedoch sind wir zuversichtlich, dass sich auch Reaktionen und Auftrittsmöglichkeiten im entfernteren Ausland ergeben werden.

Warum habt Ihr Euch entschieden, ohne Sänger an den Start zu gehen? Bleibt das so oder kann sich das spontan ändern?

Das hat sich natürlich entwickelt, die Idee an sich ist ja nicht neu. Es hat uns angesprochen, die Grundaussage und Atmosphäre auf eine andere Art zu transportieren als durch Gesang und Texte. In Zukunft werden wir aber auch vereinzelt Spracheinspielungen in die neuen Songs einstreuen. Auch andere Experimente können und wollen wir nicht ausschließen, jedoch gibt es dazu keine konkreten Pläne und wir lassen dies mit dem kreativen Fluss geschehen. Das wir einen fixen Sänger haben werden, sehe ich als sehr unwahrscheinlich.

Ohne Sänger keine Texte – ist das für Euch quasi ein Arbeitsschritt weniger oder gibt es doch imaginäre Lyrics, die die Hintergrundstories zu den Songs bilden?

Es ist nicht weniger Energie, die wir aufwenden, wenn es darum geht unser künstlerisches Schaffen zu gestalten. Der Fokus hat sich lediglich verlagert, da das Konzept unseres Debütalbums sehr wohl durchdacht ist. Wie bereits erwähnt, handelt es sich im Kern um eine atmosphärische Vertonung der österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition von Carl Weyprecht und Julius Payer. Auch das gesamte Artwork des Albums dreht sich um diese Begebenheit. Das Albumcover selbst ist von Julius Payer gemalt und nennt sich “Nie zurück!”. In Zukunft werden die Songs auch imaginäre Geschichten im Hintergrund haben, jedoch werden wir es zum großen Teil dem Hörer überlassen, diese in der eigenen Gedankenwelt auszuschmücken.

Damit übergeben wir aber auch eine gewisse Verantwortung an den Hörer, der sich in die Geschichte hinein leben und in einem meditativen Zustand einen Film dazu vor dem inneren Auge selbst gestalten kann. Was uns sicher nicht zu einer easy-listening Band macht.

ARCTIC SEA SURVIVORS ist eine jener Bands, die die Musik vor die agierenden Mitglieder stellt, sprich, ihr nennt Eure Namen nicht und verhüllt Eure Gesichter auf der Bühne. Warum habt Ihr Euch zu diesem Schritt entschlossen?

Um eine Atmosphäre zu verbreiten oder mit der Musik das Innerste der Hörer zu berühren, sind Identitäten oder Egos völlig irrelevant. Daher haben wir uns zu dem Schritt entschlossen, dies völlig aus dem musikalischen Konzept auszublenden und uns auch zu vermummen. Das ist mehr als künstlerischer Schritt zu sehen, da wir abseits der Bühne dann nicht rigoros unsere Identität verbergen und viele Menschen auch wissen, wer hinter der Band steckt. Nur soll das nie im Vordergrund stehen.

Seid Ihr schon oft live aufgetreten oder präsentiert Ihr Eure Songs nur bei ausgewählten Events, wo für Euch das gesamte Umfeld stimmig ist?

Wir halten es mit den Auftritten eher ausgewählt und für uns stimmig. Das bedeutet, dass es je nach Möglichkeiten und Nachfrage fünf bis zehn Konzerte pro Jahr gibt, lieber weniger und passend, als auf jedem „Sauaustreiben“ zu spielen. Das scheint uns im Moment ein gutes Maß, auch wenn eine Minitour in Zukunft nicht ausgeschlossen ist.

Eure Heimatbasis ist Graz. Gibt es hier derzeit viele aktive Bands oder ist es eher ruhig in der Szene? Ein Grund für mich, auch 2018 wieder nach Graz zu reisen, ist definitiv das WINTER RITUALS FESTIVAL, welches letzten November das erste Mal stattgefunden hat. Ihr seid dem Festival ja eng verbunden, habt Ihr vielleicht schon ein paar News betreffend der diesjährigen Ausgabe?

Rein musikalisch gesehen tut sich in Graz doch einiges, Szene-Insider bezeichnen die Stadt konzert-technisch sogar überbucht. Bezüglich der Bandszene schätze ich ELLENDE, NECIFER und NEKRODEUS. Was allerdings Doom Metal angeht, ist Österreich als Ganzes weiterhin eher Brachland.

Das stimmt, die meisten von uns sind auch im Organisationsteam des WINTER RITUALS tätig. Wir sind im Moment in den letzten Zügen, das Line-Up für 2018 fertigzustellen und sobald es steht, wird es die ersten Ankündigungen geben. Ich kann derweil nicht viel verraten, aber es wird wohl Überraschungen geben und auch Gäste aus sehr kalten und eisigen Gefilden.

Mittlerweile gibt es rund um einige Bands wie zum Beispiel SCHAMMASCH oder AMENRA sogenannte Künstlerkollektive (Saros Collective, Church of Ra). Könntet Ihr Euch vorstellen, dass so etwas hier in Österreich auch funktioniert? Wenn ja, in welche Richtung könnte das bei uns gehen?

Im Kunstbereich gibt es ja so etwas bereits, ich denke da an den „Kreis dunkler Kunst“, welcher Künstler aus mehreren Bundesländern vereint und der bereits Ausstellungen gegeben hat und regelmäßig aktiv ist.

Ich kann mir auch ein Musikerkollektiv gut vorstellen, persönlich würde ich mir so etwas sogar sehr wünschen. In Österreich fehlt aber noch eine starke Initialzündung, aus der so etwas entstehen kann. Es müssen gewisse Strukturen für ein Kollektiv geschaffen werden, damit es dann von selbst laufen kann.
Dabei besteht Gefahr, dass ein Kollektiv, welches ich als ein sehr fragiles Gebilde sehe, zerbricht, sobald sich Einzelpersonen über andere zu stellen beginnen und ihren Egoismus ausleben. Sofern ich das wahrgenommen habe, war das bis jetzt auch in dem Umfeld, das ich kenne, die größte Herausforderung. Dabei glaube ich aber, dass wir in Österreich sehr viele Künstler und Musiker haben, die für so ein Konstrukt geeignet wären, schließlich verbindet viele von uns ja auch die Liebe zur Natur und deren ursprüngliche rohe Kraft wie auch ein gewisser depressiver und morbider Touch mit Hang zur Spiritualität. Es gibt also durchaus Potential, auf dem wir aufbauen können, aus dem dann Großes entstehen kann, ganz ohne Zwänge und Erwartungen.Lassen wir uns überraschen, ob auch einmal in Österreich so etwas entsteht.

Kommen wir noch einmal zu den ARCTIC SEA SURVIVORS zurück. Wie schauen die Pläne für die nächste Zukunft aus? Gibt es weitere Liveshows in Österreich? Habt Ihr auch vor, im Ausland aufzutreten oder ist das im Moment kein Thema für Euch?

Wir spielen dieses Jahr im November am „Doom Over Vienna XIII“ in Wien. Darüber hinaus ist noch nichts offiziell fixiert, ich denke aber schon, dass sich da noch ein bis zwei Auftritte dazugesellen werden. Solange der Rahmen für uns stimmig ist, spielen wir gerne Konzerte, am besten natürlich in einer Szenerie mit viel Eis und Schnee, momentan gibt’s aber keine Angebote aus dieser Richtung.

Ich danke für die Zeit, die Ihr Euch für unser Interview genommen habt und bitte an dieser Stelle um einen weisen Schlusskommentar.

Ich schließe mit unserem Leitspruch: „I love the oceans dark and deep, but I have promises to keep. And miles to go before I sleep... and miles to go before I sleep.

Ein würdiger Abschluss meinen wir und legen euch allen sehr ans Herz, ein Konzert der ARCTIC SEA SURVIVORS zu besuchen, wenn ihr die Chance dazu habt!

Photo Credits: ARCTIC SEA SURVIVORS