BJÖRK Fossora

One Little Independent / H'Art

Das 10. Album der isländischen Ausnahmekünstlerin beschwört Heimat in einer unterirdischen Pilzwelt und ist wieder mal nicht von dieser Welt (gut).

Björk Guðmundsdóttir’s (so ihr voller bürgerlicher Name) 10. Studioalbum ist ein starkes Stück Familienunternehmung sowie -aufarbeitung, es geht auch viel um die eigenen Wurzeln und Heimat. Bis hin zu Erdverbundenheit und unterirdischen Pilzwelten. Bei vermutlich so ziemlich jeden anderen Künstler oder Künstlerin und insbesondere anderen Herkunftsländern würden eventuell Alarmsirenen schrillen: Esoteriknazis, Blut und Boden Tümelei, regressiver Provinzialismus? Das ist bei Björk wie wir sie kennen natürlich völlig deplatziert, aber kein uninteressanter Vergleich.

Mit Popkulturbrille kann man sie glaub ich durchaus als eine der größten Ausnahmekünstlerinnen dieses Planeten der Gegenwart betrachten. Mit Betonung auf Künstlerin und nicht singulär Musikerin: Innovation und Vielseitigkeit scheinen ihrer DNA eingeschrieben. Ihr Alben sind extrem unterschiedlich und experimentieren mit rein vokalen „Instrumentierungen“ („Medúlla“, 2004), Apps & 3D-Animationen („Biophilia“, 2011), Opulenz und Minimalismus, selbstgebauten Instrumenten, sie arbeitet mit einer Unzahl an wechselnden und sehr unterschiedlichen Musiker*innen zusammen. Und alle paar Jahrzehnte spielt sie in einem Film mit und lässt dabei nicht wenige der üblichen Oscar-Anwärter neben sich verblassen. Island als Heimatlandbackground ist natürlich mit keinem anderen Flecken der Erde vergleichbar, ein fantastisches Paradies, in dem sich schon mal die vehementesten Materialisten einbilden, Elfen säuseln zu hören. Ab Ende der 70er Jahre in der anarchistischen Punkszene sozialisiert (sie war u.a. mit CRASS auf Tour und hat auf deren Label released) und Gigs in besetzten Häusern, hat sie sich zu einer der vielseitigsten Popkünstlerinnen entwickelt, welche konsequent und kompromisslos ihren oft nicht vorhersehbaren Weg geht. Da könnte man natürlich einwerfen, dass eine wie sie sich das leicht leisten könne. Ich bin aber davon überzeugt, dass es nicht anders wäre, wäre sie Künstlerin im Underground geblieben.

„Fossora“ ist eine eigene Wortschöpfung und heißt so viel wie „Ausgräber“. Quasi das Gegenteil des Vorgängers „Utopia“ welcher eine fantastische Stadt in den Wolken zeichnete, handelt es von Erdung, Liebe und Familie. In der Metaphorik einer unterirdischen Pilzwelt. So hingeschrieben klingt das total doof, von Björk gehört ist es ein geniales Meisterwerk (wieder einmal). Art Pop auf unvergleichlichem Niveau. Es musizieren u.a. die  Band serpentwithfeet, Björk‘s Sohn Sindri und Tochter Ísadóra (Familienunternehmung!), das Klarinettensextett Murmuri, der Hamrahlíð-Chor, Emilie Nicolas, Kasimyn von Gabber Modus Operandi, Sideproject (Is), El Guincho, sowie viele von Björks isländischen akustischen Musikern mit Bassklarinetten, Streichern, Posaunen und mehr. Das Album befasst sich auch auf zwei Tracks mit den Themen Vermächtnis und Erinnerung und sind Björk‘s 2018 verstorbener Mutter gewidmet. Das Album klingt, ja, erdig und fest, mit Klarinetten und druckvollen Bass, vielseitig mit durchgehendem Klangcharisma. Tief in die Erde eingegraben und doch nicht von dieser Welt!

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