Kann mich noch gut erinnern als ich 1973 Chris Jagger’s erstes, selbstbetiteltes Album in Händen hielt. Das mit der Clown-Maske. Die STONES waren als eingeschworener KINKS-Fan nicht so ganz mein Ding, dem nonchalanten Rhythm’n’Blues von Mick’s kleinem Bruder hingegen konnte ich durchaus etwas abgewinnen. Nach dem Zweitwerk “The Adventures Of Valentine Vox The Ventriloquist” wandte er sich ganz anderen Dingen zu um dann, 20 Jahre später, völlig überraschend mit “Atcha” wieder auf der Bildfläche zu erscheinen. Eine distinktive musikalische Weiterentwicklung war nicht zu überhören, er verquickte auch auf folgenden Alben amerikanische Cajun-, Zydeco- und Country-Elemente mit britischen Folk- und Blues-Klängen, mit einem Schuß Rock obendrauf.
2014 spielte er einen intimen, dennoch grandiosen Gig im Wiener Local, mit einem entspannten Plauscherl während der Signing-Session holte sich der Mann im Anschluß noch den ultimativen Sympathie-Bonus.
Nach einer erneuten Schaffenspause von sieben Jahren war man logischerweise sehr gespannt und, um es gleich vorweg zu nehmen, “Mixing Up The Medicine” kann die Erwartungen mit Leichtigkeit erfüllen. Zusammen mit seinem Langzeit-Songwriting Partner und Musical Director Charlie Hart (PETE BROWN’S BATTERED ORNAMENTS, Ian Dury, RONNIE LANE’S SLIM CHANCE) hat Chris während der Lockdowns die 10 Songs geschrieben und, immer wenn es möglich war, in den eigenen Studios gemeinsam mit Olly Blanchflower (bs), dem Atcha-Band Kumpel Dylan Howe (dr) und den Gitarren-Legenden Neil Hubbard (JUICY LUCY, Joe Cocker, Bryan Ferry, B.B. King, u.vm.) & John Etheridge (SOFT MACHINE) eingespielt. Ach ja, und Bruder Mick hat auf dem Opener “Anyone Seen My Heart” Backing Vocals beigesteuert …
Chris hat für drei der Songs Gedichte des Poeten Thomas Beddoes aus dem frühen 19. Jahrhundert hergenommen: Der unwiderstehlich mitreißende Ska-Pop von “Anyone Seen My Heart” mit charmanter MADNESS-Schräglage, das Shanty-meets-Country Versatzstück “Loves Horn” und der schmissige New Orleans-Groove auf “Wee Wee Taylor”. Mit “Talking To Myself” darf dann Charlie Hart auf seine Jazz-Roots verweisen, die ebenso, mit erneutem New Orleans-Schmiss auf “Merry Go Round” und dem Swing-Crooner “A Love Like This” zum Tragen kommen. “Have you got a minute to spare?” singt Chris auf “Hey Brother”. Allzu häufig dürften sich die Brüder Jagger offenbar nicht sehen …
Egal, bei “Mixing Up The Medicine” bleibt kein Auge trocken und fad wird’s nie und nimmer. Ein famoses Gebräu!