Tod und Verlust spielen eine große Rolle auf dem melancholischen „Memento Mori“, dem fünfzehnten Full-length-Tonträger von DEPECHE MODE und dem ersten Album ohne Gründungsmitglied Andy Fletcher. Das düstere Set, das lange vor Fletch‘s Tod im Jahr 2022 begann und ursprünglich stärker von den Auswirkungen der Pandemie beeinflusst wurde, gewann nach seinem Tod noch mehr Ernst und Bedeutung. Gedämpft und emotional schwer, ist dies der Sound zweier alter Freunde, die von einer Tragödie erschüttert werden, während sie ihre verbleibenden Tage im Auge behalten. Ohne Fletch als Puffer und Friedensstifter waren Martin Gore – der Main-Songwriter der Band seit 1982 – und Dave Gahan – der charismatische Meister-Performer der Gruppe – gezwungen, sich näher zu kommen, was zu einem ihrer bisher fesselndsten und thematisch zusammenhängendsten Statements führte.
Der ominöse Opener „My Cosmos Is Mine“ erobert die Kontrolle in einer unvorhersehbaren Welt zurück und wiederholt das Mantra „No fear…no rain/No final breaths, no senseless deaths“ über packenden Industrial-Beats. Mit einer melancholischen Schönheit ist die Lead Single „Ghosts Again“ problemlos eine der besten Singles, die DM in den letzten 20 Jahren veröffentlicht haben. Und das dazugehörige Video, das voller Ingmar Bergman-Zitate steckt, ist ebenfalls schwer empfehlenswert. Das Drama wird durch den Goth-Walzer „Don’t Say You Love Me“ noch einmal gesteigert, „Caroline’s Monkey“ lässt die digitale Kälte von „Exciter“ (2001) und Suchtthemen aus den dunkelsten Zeiten der Band wieder auferstehen und das pulsierende „My Favourite Stranger“ beunruhigt und verführt die Zuhörer zugleich. Währenddessen liefert das treibende „Never Let Me Go“ schneidende Gitarren im Stil von Nine Inch Nails.
Auch wenn die letzten zwei Alben „Delta Machine“ (2013) und „Sprit“ (2017) alles andere als minderwertig waren, präsentieren DEPECHE MODE mit „Memento Mori“ zweifellos das stärkste Werk seit „Playing The Angel“ (2005). Angesichts der Sterblichkeit und des unvermeidlichen Sonnenuntergangs ihrer langen, geschichtsträchtigen Karrieren verwandeln Gore und Gahan die Tragödie in etwas Tiefgründiges. Obwohl es bei weitem nicht ihr eingängigstes Album ist, liefert „Memento Mori“ nachdenkliche, zutiefst bewegende Musik, die von Herzen kommt.