Allein die Ankündigung eines neuen Albums der britischen Metal-Ikone sorgt für ausreichend Gesprächsstoff. Kein Wunder also, dass es auch im Vorfeld von „Senjutsu“ so gekommen ist. Der Titel und das Albumcover haben schließlich im Vorfeld verstärkt fernöstliche Einflüsse erwarten lassen, die erste Single 'The Writing On The Wall‘ dagegen, die sich als feiner Ohrwurm entpuppt und mit lässigen Gitarrenpassagen aufwartet, wurde als Referenz an die eigene Vergangenheit betrachtet, und ließ bei vielen Fans die Hoffnung aufkommen, die Formation hätte sich diese tatsächlich als Vorlage genommen. Doch IRON MAIDEN bleiben nach wie vor alles andere als vorhersehbar, weshalb wir weder ein „japanisches“ Album, noch einen „Nummer Sicher“-Tonträger, mit dem man sich bemühen würde, unmittelbar an die glorreichsten Band-Tage anzuknüpfen, kredenzt bekommen.
An Ideen mangelte es den Herrschaften aber ganz sicher auch nicht. Mit über 82 Minuten Laufzeit geht das 17. Studioalbum nämlich als ihr bislang längstes in die Annalen der Band-Historie ein. Dass Steve Harris darauf einmal mehr seine Vorliebe für progressive Epen auslebt, dürfte allein durch die Tatsache klar sein, dass die von ihm im Alleingang komponierten Nummern mit Ausnahme von 'Lost In A Lost World' über zehn Minuten dauern.
Dabei zieht der gute Mann allerdings alle Register und liefert vor allem mit dem besagten Track einmal mehr den Beweis, dass der britische Prog Rock der 70er Jahre für ihn ebenso einflussreich war, wie seine erklärten und bekannten Favoriten WISHBONE ASH, DEEP PURPLE und UFO.
Vielleicht wäre es für den Zuhörer ein wenig einfacher gewesen, wenn die Band die Songreihenfolge anders gestaltet hätte, doch der an den Schluss gestellte Triple-Pack aus der Feder des wohl bekanntesten Pete Way-Fans der Welt, weiß auch über den Zeitraum einer halben Stunde zu begeistern. Nach der mit dezenten JETHRO TULL-Referenzen und einer fast gemütlichen Folk-Atmosphäre ausgestatteten 'Death Of The Celts', gefällt 'The Parchment' mit an frühen Space Rock erinnernden Instrumental-Passagen. Als Ober-Hammer der Kategorie "MAIDEN-Monumental-Epos" muss dann das Finale 'Hell On Fire' bezeichnet werden. Hier lassen sich "Powerslave"-Reminszenzen ebenso ausmachen wie jene Gitarren-Synthesizer-Klänge, die schon frühere Werke mit entsprechender Eleganz veredelten.
Aber nicht nur instrumental wird große Kunst geboten, auch Bruce Dickinson lässt unmissverständlich erkennen, dass er weder an Charisma noch an Stimmgewalt eingebüßt hat. Das gelingt ihm in den von ihm zusammen mit seinem kongenialen Partner Adrian Smith geschriebenen Nummern am besten. Dass sich diese - konkret 'The Writing On The Wall', 'Days Of Future Past' (der meiner Meinung nach ideale Opener!) und 'Darkest Hour' – zudem als die eingängigsten erweisen, sollte nicht weiter verwundern. Das Duo hat diese Art von Kompositionen einfach im Blut!
Der von Steve und Adrian geschriebene Titelsong, mit dem die Scheibe eröffnet, braucht zwar im direkten Vergleich dazu eine gewisse Zeit, ehe sich einem auch dieser "erschlossen" hat, auf jeden Fall aber wischt Dickinson bereits damit alle Zweifel vom Tisch, er hätte nicht mehr das Stimmvolumen für derlei dramaturgisch anspruchsvolles Material.
Als solches erweisen sich auch die beiden von Harris und Jannick Gers 'Stratego' und 'The Time Machine'. Letzteres ist obendrein mit einem anbetungswürdigen Instrumental-Part ausgestattet, der allen notorischen Nörglern und Zweiflern ans Herz gelegt sei. Besser können IRON MAIDEN die Dreifach-Besetzung an den Äxten nicht verdeutlichen.
Alles richtig gemacht? Ja, denn "Senjutsu" ist mit Sicherheit das stärkste MAIDEN-Album der letzten beiden Dekaden geworden! Up The Irons!