JETHRO TULL The Zealot Gene

Inside Out Music / Universal

Ein der Legende würdiges Werk

Auch wenn Mastermind Ian Anderson im Nachhinein die Meinung vertritt, das zuletzt unter seinem Namen veröffentlichte „Homo Erraticus“ hätte durchaus auch unter dem Banner JETHRO TULL aufgelegt werden können, ändert das nichts an der Tatsache, dass „The Zealot Gene“ - vom 2003er „Christmas Album“ abgesehen - die erste Studio-Scheibe der Rock-Legende seit mehr als zwei Dekaden darstellt.

Dass diese in der Tat ein TULL-Werk geworden ist, steht nach wenigen Sekunden fest. Denn schon der Opener ‚Mrs. Tibbets‘ lässt keinerlei Zweifel darauf aufkommen, wer hier zugange ist. Die Querflöte ist ebenso unverkennbar wie der Gesang des Bandoberhaupts, und auch die für diese, seit mittlerweile 55 Jahren aktive Band so typische, raffiniert arrangierte Melange aus Folk und Rock ist exakt jener Art vorhanden, wie das der Rockmusik-Liebhaber seit Jahrzehnten gewohnt ist. Es ist aber logischerweise nicht nur der Eröffnungs-Track, mit dem das Ensemble seinem legendären Namen gerecht wird, denn auch in weiterer Folge sind eben diese Trademarks immer wieder zu hören.

Dabei hat es die Band aber geschafft ihren ureigenen Stil soundtechnisch in die Gegenwart zu transferieren. Auf sehr edle Weise übrigens, denn allen voran die Gitarren von Joe Parrish-James und dem an sich zu Andersons Solo-Band zählenden, bei TULL lediglich für Studioaufnahmen engagierten Florian Opahle sorgen für ein wahres Klangerlebnis.

Völlig egal, ob es einigermaßen geradlinig rockig ('Mine Is The Mountain' lässt zu Beginn gar ein wenig an 'Locomotive Breath' denken), der Titelsong dagegen hätte auch auf einem der in 90er Jahren veröffentlichten, eher dem Prog Rock zuzuordnenden TULL-Alben ganz gut gepasst) zur Sache geht, die Band eher folkloristisch vorträgt (Jacob's Tales'), oder auch ins Jazzige ('The Betrayal Of Joshua Kynde') abdriftet. Das konnte nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden, schließlich haben wir es mit dem erst zweiten Album in der Band-Historie zu tun, auf dem Saiten-Ikone Martin Barre nicht mitwirkt.

Nicht minder elegant wie die beiden Gitarristen agieren aber auch die Rhythmusfraktion und Tastenzauberer John O’Hara, der neben Piano und Keyboards ab und an auch mit seinem Akkordeon für lässige, swingend und groovende Klänge sorgt.

Wie nicht anders zu erwarten, hat Ian Andersson aber bei weitem nicht genug damit „lediglich“ neue Musik mit „The Zealot Gene“ zu kredenzen. Der gute Mann hat auch immer noch einiges zu sagen. So hat er sich offenbar sehr intensiv mit dem „Buch der Bücher“ auseinandergesetzt, und lässt in diversen Texten vernehmen, dass er so manchem Bibel-Zitat sehr kritisch gegenübersteht.

Alteingesessene Fans werden logischerweise allein auf Grund der Tatsache, dass ein neues TULL-Album auf dem Markt ist, in Euphorie verfallen und mehr oder weniger blind zugreifen. Doch auch weniger dieser Truppe huldigende Zeitgenossen (gibt es die überhaupt?) sei dieses Album wärmstens empfohlen. Viel besser bekommt ein solche Melange nämlich auch anno 2022 sicher nicht geboten!

Schon klar, an Rock-Meilensteine wie „Aqualung“ oder „Heavy Horses“ kann die illustre Formation nicht anknüpfen. Das war aber ehrlich gesagt auch nicht zu erwarten. Fix ist jedoch, dass „The Zealot Gene“ ein begeisterndes Gerät geworden ist und zudem eines, mit dem JETHRO TULL ein, diesem Namen würdiges veröffentlicht haben.

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