Im Juni 1969, am Zenit seiner kometenhaften Karriere, trennte sich Jimi Hendrix nach stetig zunehmenden Quereleien von seinem britischen Bandkollegen Noel Redding und die JIMI HENDRIX EXPERIENCE war Geschichte. Bevor die Fans den Schock richtig verdauen konnten hatte der Gitarrengott zwei Monaten später beim legendären Auftritt am Woodstock Festival unter dem Namen GYPSY SUN & RAINBOWS eine unerwartet große Band, mit seinem Army-Kumpel Billy Cox (bs), Mitch Mitchell (dr), Larry Lee (git) und Juma Sultan und Gerardo Velez (perc), um sich geschart. Diese Formation war jedoch nur von kurzer Dauer, bald darauf kehrte Jimi mit Billy Cox und dem Ex-ELECTRIC FLAG Drummer Buddy Miles zum bewährten Trio-Format zurück, das nun als BAND OF GYPSYS firmierte.
Da stimmte auch die Chemie auf Anhieb und in diesem kreativen Hoch entstanden neue Songs wie “Burning Desire”, “Power Of Soul” und das epochale “Machine Gun”. Die BAND OF GYPSYS gab ihr Live-Debut zum Jahreswechsel 1969/1970 mit je zwei Shows am 31. Dezember und am 1. Jänner und schrieb mit dem vier Monate später erschienen Mitschnitt “Band Of Gypsys” nachhaltig Musikgeschichte. Obwohl die kompletten Auftritten mitgeschnitten wurde beinhaltete das Abum gerade sechs Titel – “Who Knows”, “Message To Love”, “Power Of Soul” (auf dem ursprünglichen Release noch “Power Of Love” betitelt), die völlig entfesselte, 13-minütige Version von “Machine Gun” und mit “Changes” und mit “We Gotta Live Together” zwei Buddy Miles-Kompositionen – die von Aufnahmen verschiedender Abende zusammengestoppelt wurden.
Der Grund für diese heute eher unverständlich knappe Zusammenfassung dieser umjubelten Matinee war der Umstand, dass Jimi zu Beginn seiner Karriere einen dubiosen Knebel-Vertrag mit Ed Chalpin’s PPX Records unterzeichnete, der diesem die Rechte auf alle kommenden Veröffentlichung gab – nach endloser juristischer Rangelei einigte man sich darauf, dass PPX das kommende Studio-Album vertreiben konnte. Daher kam anstatt dessen die immens erfolgreiche (auch weil’s der letzte Release vor Jimi’s unerwartetem Ableben war) Live-Scheibe und Mr. Chalpin hatte das Nachsehen.
Mit der Zeit und diversen Neuauflagen wurden zunehmend mehr Songs von den Konzerten veröffentlicht, auf Bootlegs gab's zuweilen, in zum Teil äußerst zweifelhafter Klangqualität, die gesamten Aufnahmen zu hören. Jetzt haben Jimi’s Haus-und-Hof-Producer Eddie Kramer, seine Halbschwester Janie Hendrix und John McDermot, die gemeinsam seit 1995 alle Archiv-Veröffentlichungen unter Zuhilfenahme modernster tontechnischer Finessen aufbereitet haben, die Masterbänder restauriert und neu abgemischt, die Songs sind hier endlich auch in richtiger Reihenfolge zu hören. Neben den oben erwähnten gibt’s mit “Earth Blues” oder “Stepping Stone” weitere, damals brandneue Songs ebenso wie EXPERIENCE-Hits à la “Stone Free”, “Voodoo Child (Slight Return)” und “Purple Haze”, dazu noch eine Handvoll Covers, allen voran eine Killerversion von Elmore James’ “Bleeding Heart”, auf der Jimi seine Blues-Roots imposant zur Schau stellt.
Die edel aufgemacht Box mit fünf CDs bzw. 8 LPs samt 48-seitigem Booklet mit Liner Notes von Billy Cox und einer Vielzahl unveröffentlichter Fotos läßt keine Wünsche offen, zur Sammlungskomplettierung ist das Teil ohnehin unverzichtbar.