KVLT & KNOCHEN

Kunst, die eng mit dem Tod verwoben ist

Im Zuge unserer Vorstellung von Künstlern, die in enger Verbindung mit der von uns allen hochgeschätzten Musik stehen, kommt dieses Mal der Mann, der unter dem Namen „Kvlt & Knochen“ agiert, zu Wort. Nachstehend eines der wohl interessantesten Interviews, welches ich bisher führen durfte.

Wenn Du möchtest, kannst Du Dich an dieser Stelle kurz persönlich vorstellen. Wenn das für Dich nicht relevant ist, dann erzähle unseren Lesern bitte einmal, was sich hinter dem Pseudonym „Kvlt & Knochen“ verbirgt.

Der eigentliche Hintergedanke bei der Verwendung eines Pseudonyms war der Schutz vor Menschen, welche sich am Inhalt meines Schaffens stoßen, sei es durch eine fälschliche Interpretation von Tierschutz oder dem Bestreben jedes Symbol politisch interpretieren zu müssen. Ich lebe mit meiner Familie gerne in Ruhe.

Welche Arbeiten erschaffst Du und mit welchen Materialien arbeitest Du?

Prinzipiell könnte man mich als „Schädelschnitzer“, „Knochenkünstler“ oder schlicht als „Kunsthandwerker“ bezeichnen, wenngleich das Handwerk nur Mittel zum Zweck und nicht den eigentlichen Fokus meiner Arbeit darstellt. Ich fräse und schnitze Muster und Symbole mit elektrischen und selbstgemachten Werkzeugen in Tierschädel und fertige Installationen aus Knochen. Weiters versuche ich diese Werke in verschiedenste Medien zu integrieren.

Seit wann bist Du als Künstler tätig und wie ist der Stein (in dem Fall wohl eher der Knochen) denn eigentlich ins Rollen gekommen?

Ich denke, wir werden alle als Künstler geboren. Das innere Kind begegnet seiner Umwelt mit Neugier und versucht sie zu verstehen und aufzuarbeiten. Durch unseren Alltagstrott und den stetig steigenden, gesellschaftlichen Druck verlernen wir jedoch diese Art der Aufarbeitung, da wir zu sehr damit beschäftigt sind, zu funktionieren und das zu tun, was „von uns verlangt wird“. Wir treiben das innere Kind ab und begraben es kontinuierlich mit Rechnungen, Alltag und den Bedürfnissen nach Dingen, die wir in Wahrheit nicht brauchen. Das größte Geschenk des Künstlers ist es das innere Kind am Leben zu erhalten und zu füttern, die Neugier nicht abzulegen.

In der ein oder anderen Form habe ich immer schon Kunst geschaffen, ich habe gezeichnet und gemalt, in diversen Undergroundbands mein Unwesen getrieben oder mich am Tätowierhandwerk versucht. Mein Medium habe ich allerdings erst recht spät gefunden, es pocht somit, mit großer Vehemenz, das Bedürfnis in mir, diese Zeit aufzuholen.

Hast Du Dir Deine Fertigkeiten selbst beigebracht oder bist Du wo „in die Lehre“ gegangen?

Im Gegensatz zum asiatischen Raum gibt es in Österreich keinen Traditionsberuf des Knochen- oder Schädelschnitzers. In Indonesien fertigen beispielsweise bereits siebenjährige Kinder fragil gefräste Büffelschädel für Touristen, deren Feinheit ich in diesem Leben wohl nicht mehr erreichen werde, wenngleich dies auch gar nicht meinem Vorhaben beziehungsweise dem Kern meiner Kunst entspricht. Aber wer weiß, vielleicht hegen meine Kinder eines Tages den Wunsch in meine Fußstapfen zu treten und schaffen somit eine neue Tradition?

Wie entstand der Wunsch, mit Tierknochen zu arbeiten? Steckt hier einerseits eine gewisse Verbindung zu der Tierwelt dahinter bzw. hegst Du auch eine Art Affinität zum Tod? Dieses Thema ist ja in unserer westlichen Konsumwelt nach wie vor ein Tabu, weil es einfach nicht zur Spaßgesellschaft passen mag.

Ich war das seltsame Kind, welches Tierkadaver und Knochenteile von der Straße und aus dem Wald eingesammelt hat. In einer Paralleldimension ist aus mir vielleicht ein Serienmörder oder Schlimmeres geworden, hier habe ich jedoch den Weg der Kunst eingeschlagen und bin damit mehr als zufrieden.

Die Faszination für den Tod an sich (nicht für das Sterben, hier ist grundlegend zu differenzieren) zieht sich durch meine gesamte Biographie und hat sich mittlerweile gar zu einer Art Religionsersatz entwickelt, sie ist meine Passion und bis zu einem gewissen Grad mein Lebensinhalt. Ich sehe auch keinen Widerspruch darin ein positiver Mensch zu sein und eine Affinität dem Tod gegenüber zu hegen. Der Tod ist unausweichlich und er macht den König und den Bettler gleich. Das Wissen um den Tod ermöglicht uns erst unser Leben in vollsten Zügen zu leben.

Möchtest Du mit Deiner Arbeit etwas ausdrücken bzw. eine Botschaft weitergeben oder machst Du Deine Kunst einfach, weil sie aus Dir heraus fließt? Sprich, Du arbeitest aus dem Innersten, ohne Dir darüber Gedanken zu machen, wie die Arbeit auf andere Menschen wirkt?

Meine Arbeit beruht meiner Meinung nach auf folgenden Eckpfeilern: dem Tod (als grundlegende Basis), der Kunst (als Methode) und dem Unterbewussten (als ausführende Kraft), diese drei Säulen ergänzen sich und fließen ineinander. Ich verstehe, dass dies für Außenstehende etwas abgehoben klingen mag, es ergibt für mich im Gesamtkonzept jedoch Sinn und ermöglicht mir, den jeweiligen Faktoren ihren notwendigen Stellenwert einzuräumen.

Viele Kunstschaffende haben eine grundlegende Idee oder eine bestimmte Aussage, welche sie mit den ihnen gegebenen oder vertrauten Mitteln realisieren wollen, in meinem Fall ergibt sich die Idee oder die Aussage zumeist erst während des Arbeitsprozesses. Wenngleich oftmals bestimmte Symbole den Ausgangspunkt bilden, zeigt sich deren Bedeutung erst im Verlauf, denn ein Symbol ist nur ein leeres Gefäß und wird erst von uns Menschen beziehungsweise in weiterer Folge vom Betrachter selbst, mit Bedeutung gefüllt. Diese Arbeitsweise mag auf den ersten Blick etwas oberflächlich wirken, meiner Meinung nach ist aber genau das Gegenteil der Fall. Der Durchführungsprozess gestaltet sich bisweilen als sehr kräftezehrend und emotional, das Ergebnis lehrt mich immer wieder Neues über mich selbst.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Deiner Arbeit und Musik? Wenn ja, ist dieser Zusammenhang nur privater Natur … also Musik inspiriert Dein kreatives Schaffen. Oder arbeitest Du auch für Bands?

Die Sozialisierung mit extremer Musik erfolgte bei mir recht früh und sie nimmt noch immer einen wichtigen Punkt in meinem Leben ein. Durch mein selbst erwähltes Eremitendasein, ich wohne mit meiner Familie recht abgeschieden am Land, komme ich jedoch nicht mehr so oft auf Konzerte wie ich es gerne wollen würde. Der Wunsch mit Musikschaffenden, Bands und Konzertveranstaltern zusammenzuarbeiten ergibt sich aus dem Bedürfnis, meine Kunst und mein Handwerk in andere Medien zu integrieren und der „Endlichkeit“ somit auch ein anderes Publikum zu verschaffen.

Neben Bühnendekorationen für Künstler wie MOSAIC, NEGATOR, SURTURS LOHE oder VARULV arbeite ich auch immer wieder an Stücken für Musikvideos. Die Arbeit mit LEAFHOUSE COLLECTIVE, einem österreichischen (Musik)Videokollektiv, ermöglicht es mir meine sonst eher statischen Stücke auch in bewegten Bildern zu betrachten, was ein großes Potential zur Selbstreflexion schafft.

Wie viel Zeit Deines Tages verbringst Du mit Deiner Arbeit? Machst Du das nebenberuflich oder versuchst Du, von Deiner Kunst zu leben? Wenn das nicht der Fall ist, womit verdienst Du Deinen Lebensunterhalt, wenn ich fragen darf?

Der Zeitaufwand ergibt sich unterschiedlich, manchmal scheint mir eine Woche lang nicht wirklich etwas zu gelingen, während produktiverer Phasen verbringe ich teilweise zwanzig Stunden am Stück in meiner Werkstatt. Man könnte schon sagen ich bin ein „getriebener Geist“, gewisse Projekte müssen abgeschlossen werden, vorher finde ich keine Ruhe und keinen Schlaf.

Finanziell gesehen lebe ich nicht von der Kunst, dies würde zum jetzigen Zeitpunkt mit zu vielen Kompromissen einhergehen, welche ich nicht bereit bin einzugehen. Ich nehme mir durchaus das Recht heraus gewisse „Aufträge“ bzw. Projekte auch abzulehnen. Die Natur meiner Kunst geht mit großem Zeitaufwand einher, die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit zeigt wiederum dass Zeit das wichtigste Gut ist. Deswegen ist es essentiell, sich gründlich zu überlegen worin man diese Ressourcen investiert. Meine Zeit teilt sich momentan in mein Familienleben (ich bin vor wenigen Wochen Vater geworden), meine Kunst und meinen Hauptberuf (ich arbeite auch noch vierzig Stunden im Gesundheitswesen) auf.

Arbeitest Du auch mit anderen Künstlern zusammen? Wenn ja, mit wem? Gibt es eine Art Kollektiv hier bzw. besteht der Wunsch nach einem Zusammenschluss verschiedenster Künstler?

Der produktive Austausch mit anderen Kunstschaffenden ist immens wichtig, da er auch den eigenen Horizont erweitern kann und es ermöglicht, neue Zugangsweisen zum eigenen Werk zu entdecken. Vor einigen Jahren wurde der „KREIS NEUER DUNKLER KUNST“ gegründet, ein Zusammenschluss von diversen Illustratoren, Grafikern, Tätowierern oder auch Tierpräparatoren. Neben den regelmäßigen Kreistreffen, bei denen Workshops und spontane, gemeinsame Art-Happenings stattfinden, konnten wir bereits eine Ausstellung in Wien abhalten. Das nächste Projekt ist die Arbeit an einem gemeinsamen Stück am „Winter Rituals II“ Festival, welches am 01.Dezember 2018 im Grazer Explosiv stattfinden wird.

Wir sind ja gerade vom „House of the Holy II“ Ritual aus Abtenau zurückgekehrt. Wie bist Du zu dem Kreis an Musikern, Künstlern und ich sag einmal sehr besonderen Menschen gekommen, die dieses ganz spezielle Fest auf der Alm veranstalten? Gibt es eine Verbindung zwischen Deiner Kunst und den Energien, die wir wohl alle am Berg wahrnehmen?

Ich glaube, der Grundstein wurde bei der Ausstellung des Kunstkreises gelegt. OUR SURVIVAL DEPENDS ON US spielten am gleichen Abend ein Konzert in Wien und unser Kreismitglied IRRWISCH hat ja bereits einige Male mit ihnen kooperiert. Barth hat mich daraufhin eingeladen meine erste Soloausstellung „NORDLICHT“ im Tempel auf Neudegg abzuhalten. Im Rahmen dieser Woche sind viele spannende Dinge passiert und es wurden enge Freundschaften geschlossen und weiterführende Kollaborationen entwickelt. Neudegg ist ein besonderer Ort, doch ähnlich einem Symbol ist auch die Alm nur ein leeres Gefäß, erst die Menschen füllen es mit Bedeutung und Wertigkeit. Die Kombination aus diesen besonderen Menschen macht auch Besonderes möglich, sie schafft nicht nur einen Ort für Individualisten, sondern stellt einen Garten dar, an dem Kunst wachsen kann.

Möchtest Du mit „Kvlt & Knochen“ ein bestimmtes Ziel erreichen oder gibst Du Dich eher dem Flow hin, ohne großartig Gedanken an die Zukunft zu verschwenden?

Mittlerweile hat sich bei mir die Erkenntnis eingestellt, dass vieles von selbst passiert, wenn man der Kunst einmal ihren Raum zum Wachsen gelassen hat. Wenn das geschieht, sind meine Wünsche oder Ziele gar nicht so wichtig sind.

Momentan arbeite ich neben einigen wenigen Einzelstücken und ein paar Musikvideos an meinem Mammutprojekt „GODDESS“ Zunächst als einfaches Artbook geplant, entwickelt es sich mittlerweile zu einem multimedialen Machwerk, das seine Energie aus diversen Kollaborationen bezieht. Meine Hauptkonspiratorin diesbezüglich ist die junge Grazer Photographin MOTTENLICHT. Ich gehe von einer Veröffentlichung im nächsten Jahr aus.

Ein anderes interessantes Projekt, welches mich momentan beschäftigt, ist die kreative Beratung für ein Konzert in Leipzig im Dezember dieses Jahres, welches sich „INVOKING THE ANCIENT RITUAL II“ betitelt. Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich diese Konzertreihe noch entwickeln wird.

Wo können unsere Leser, falls sie jetzt neugierig geworden sind, Deine Arbeiten begutachten bzw. eventuell sogar erstehen? Hast Du auch ein Atelier, wo man vorbei schauen kann oder gibt es Deine Werke nur im Internet zu betrachten?

Der Großteil des Erdgeschosses meines Hauses hat sich sukzessive zu einer Mischung aus Atelier, Werkstatt und Museum verwandelt. Neben der Leidenschaft für das „Erschaffen“ bin ich auch Sammler von Kunstgegenständen, Schädeln, Taxidermiepräparaten, okkulten Gegenständen und diversen Absurditäten. Meine Werkstatt ist somit nicht nur Platz zum kreativen Arbeiten, sondern ladet auch zum Austausch und Staunen ein. Trotzdem handelt es sich hierbei nicht um einen öffentlichen Raum, sondern ich bin nach wie vor sehr wählerisch, wen ich in meine „heiligen Hallen“ einlade.

Um einen Überblick über meine Arbeit zu erhalten, empfehlen sich die üblichen Profile auf Facebook und Instagram.

Gibt es etwas, dass Du unseren Lesern als Abschluss dieses Interviews auf den Weg mitgeben möchtest?

Ich halte es da mit Marcus Aurelius: Nicht den Tod muss man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird zu leben.“

Photo Credits: Michaela Strasser

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