Man mag von dieser Band halten, was man will, was ihren Output betrifft, sind die finnischen Monster-Rocker längst zu einer Konstante geworden. Das gilt selbstredend auch für ihre Tour-Aktivitäten, denn bisher hat die Formation noch jedes ihrer inzwischen zehn Studioalben flächendeckend vorstellig gemacht.
Da sich im Laufe der Jahre ihr ursprünglich locker-lässiger, von einer dezenten Industrial-Schlagseite unterzogener Hard Rock einigermaßen geändert hat, konnten LORDI Fans unterschiedlicher Genres für sich gewinnen, auch wenn sich der Erfolg des längst zum Radio-Dauerbrenner avancierten 2006er Song Contest-Siegerliedes "Hard Rock Hallelujha" nicht wieder eingestellt hat. Stilisitsche Einsprengsel aus dem Gothic Rock, dem Modern Rock und dem Heavy Metal haben aber dennoch dazu geführt, dass sämtliche Scheibletten durchaus positiv aufgenommenen wurden und Nummern daraus immer wieder in die Setlisten aufgenommen wurden. Auch deshalb gerieten Konzerte der Finnen zu überaus unterhaltsamen Shows, auch wenn hinzugefügt werden muss, dass bei LORDI das Auge keineswegs "nur" mithört, sondern mitunter mehr geboten bekommt als das Ohr.
Die Tatsache keine Konzerte geben zu dürfen, hat diese Band in den letzten anderthalb Jahren wahrscheinlich noch viele härter getroffen als andere, doch Mr. Lordi, wie sich Tomi Petteri Putaansuu, der ehemalige Vorsitzende der "Kiss Army Finland" als Künstler nennt, und seine Mannschaft haben sich von der Pandemie-bedingten Pause alles andere als demotivieren lassen.
Das Gegenteil ist der Fall, denn "Lordiversity" ist nicht einfach nur ein neues Album geworden, sondern eine sieben Tonträger umfassende Box. Die erscheint dieser Tage sowohl als 7-fach-CD (mit sieben Digisleeves im Hardcover Slipcase) als auch als Vinyl-Boxset. Digital werden alle sieben Scheiben einzeln veröffentlicht, jedoch in unregelmäßigen Abständen zwischen dem eigentlichen Veröffentlichungsdatum (26.11.) und Ende Februar 2022. Dem nicht genug, sei hinzugefügt, dass auf allen sieben Tonträgern (die mit LORDI-typischen Wortspielchen als Titeln sowie entsprechenden Artworks ausgestattet wurden) ausnahmslos neues Material enthalten ist. Dieses ist jeweils einer gewissen Richtung oder Epoche gewidmet, wobei im Vorfeld von der Band versucht wurde, die Zugehörigkeiten gewissenhaft zuzuordnen.
Thematisch schließt man dabei an den Vorgänger "Killection" an, war dieser Dreher doch als fiktives LORDI-Album aus den 70er Jahren gedacht. Geradewegs dorthin entführt man uns jetzt mit "Skelectric Dinosaur". Vorwiegend von den ohnehin bekannten Idolen des Bandchefs inspiriert, kredenzen die Finnen mit 'Starsing Spitfire' oder 'Phantom Lady' die erwarteten Tribut-Tracks an KISS und ALICE COOPER. Darüber hinaus geben sie aber auch zu erkennen, dass sie auch gurgelnden Orgel-Hard Rock in bester HEEP-Manier draufhaben und auch den Blues in entsprechend authentischer Manier darzubieten wissen.
An KISS lässt auch so einiges von "Superflytrap" denken, jedoch an die Disco/Pop-Gangart der "Dynasty" und "Unmasked"-Ära. Ab und an meint sogar ABBA als Inspiration herauszuhören, während 'Bella From Hell' oder 'Macho Freak" durchaus auch von den schwedischen Duschstartern von THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA stammen könnten. An die Stimmgewalt von Mr. Lordi kommt deren Frontmann Björn Strid zwar nicht heran, anderseits haben die Schweden im Vergleich zu LORDI dafür die ansehnlicheren Background-Sängerinnen. So etwas nennt man im Fußball-Jargon wohl "ein leistungsgerechtes Unentschieden".
Während diese beiden Dreher in zumindest ähnlicher Ausführung durchaus zu erwarten waren, überrascht die Band mit "The Masterbeast From The Moon" in vielen Belangen. Zum einen stellt die Instrumental-Fraktion unter Beweis, dass sie so einiges auf dem Kasten hat. Das soll auch überhaupt nicht bezweifelt werden, denn speziell in der 12-minütigen Achterbahnfahrt 'Church Of Succubus' lässt sich erkennen, das hier jemand bei Genre-Helden wie YES oder RUSH sehr gut zugehört hat. Am Umstand, dass dieser Prog Rock-Exkurs das schwächste Alben dieser Box darstellt, ändert das aber nichts. Der Großteil der Nummern wirkt zu unnatürlich und zerfahren.
Wer dachte, dass den Herren eventuell die Ideen ausgegangen wären, irrt jedoch gewaltig. Mit "Abusement Park" liefert man nämlich ein ganz besonderes Highlight. Dermaßen deutlich nach Früh-80er Hard Rock mit US-Schlagseite haben die Finnen noch nie geklungen. Die im Verlauf der Spielzeit zu vernehmenden Reminiszenzen an QUIET RIOT ('Pinball Machine'), TWISTED SISTER ('House Of Mirrors' ) und MÖTLEY CRÜE ('Nasty, Wild & Naughty') passen jedenfalls verdammt gut (monströs gut?) zu LORDI. Ob bewusst oder zufällig, werden wir zwar nie erfahren, doch in manchen Passagen klingt Mr. Lordi auf diesem Dreher zudem auch noch wie der junge Blackie Lawless. Yeah!
Den nächsten Stopp auf ihrer fiktiven Zeitreise legen LORDI in der Mitte der 80er Jahre ein. Konkret in jenen Tagen, in denen SURVIVOR kurz davor "Rocky" musikalisch gehörig einschenkten, EUROPE zum ersten mal 'The Final Countdown' herunter zählten, und BON JOVI im Begriff waren die Welt zu erobern. So wirklich gelungen ist dieser Versuch den Finnen zwar auch nicht, eine Bauchlandung klingt aber dennoch anders. Optisch ist "Humanimals" aber auf jeden Fall daneben gegangen, das quietsch-pinke Bandlogo sollte sogar verboten werden. Als musikalisches Highlight entpuppt sich das bereits von "Killection" bekannte 'Like A Bee To The Honey', für das sich mit Michael Monroe ein prominenter Gastsänger, und mit Paul Stanley und Jean Beauvoir ein noch prominenteres Songwriter-Duo ein Stelldichein gegeben haben.
Wesentlich besser steht LORDI die Früh-90er Power/Thrash/Groove-Schlagseite von "Abracadaver " zu Gesicht (oder heißt es hier zur "Fratze"?). Allen voran der Chef überzeugt mit kraftvollem Gesang, sowie teils HALFORD-esken Schrei-Eskapaden, während Gitarrist "Amen" unter Beweis stellt, dass er auch in den Herren Holt, Hammet und Waters seine Helden gefunden haben dürfte. Richtig cool geworden sind auch die KING DIAMOND-Hommage 'Evil' und das PANTERA-inspirierte 'Vulture Of Fire'. Eine Fortsetzung wäre wünschenswert, und zumindest der Titelsong muss ab sofort bei jedem Konzert dargeboten werden.
Mit "Spooky Sextravaganza Spectacular" endet der Reigen dann irgendwo in der Mitte der 90er Jahre. Abgefahrene, mehr als nur dezente Industrial-Klänge wurden dem Heavy Rock-Gebräu ebenso hinzugefügt wie so mancher CLAWFINGER-typische Crossover-Rhythmus. Kurzum, hier animieren LORDI eher das Tanz- und Hüpfbein als den Monsternacken. Das kommt nicht nur gut aus den Boxen, ab und an fühlt man sich durchaus auch an den zwar wesentlich simpler gestrickten, aber nicht unähnlich angelegten Erstling "Get Heavy" erinnert.
Mit dem an eine Mischung aus WHITE ZOMBIE und MINISTRY zu ihrer kommerziell erfolgreichsten Phase erinnernden 'If It Ain't Broken (Must Break It)' beenden die Finnen den Reigen und lassen uns damit unter anderem wissen, dass sie nicht nur zu den umtreibigsten, sondern offenbar auch zu den in letzter Zet am häufigsten und intensivsten von der Muse (wie die wohl aussehen muss?) geküssten Zeitgenossen zählen. Respekt!
www.facebook.com/LordiOfficial