Ihr letztes Wien-Konzert anno 2015 absolvierte damals 70-jährige Marianne Faithfull größtenteil von einem barocken Fauteuil aus, ein Beinbruch machte ihr immer noch zu schaffen. Bewundernswert, dass sie überhaupt die Tour-Strapazen auf sich nahm und gleichermaßen bewundernswert war ihr Auftritt: eine fein selektierte, Karriere-umspannende Setlist, unterhaltsamer Smalltalk zwischendurch und eine durchaus fesselnde Gesangsdarbietung, selbst in Anbetracht der Tatsache dass die immer schon brüchige Stimme über die Jahre merklich gelitten hatte.
Auf “She Walks In Beauty”, der gerade erst erschienenen Zusammenarbeit mit dem langjährigen musikalischen Wegbegleiter Warren Ellis, begegnet man ihr nach überstandener Corona-Erkrankung als fragile Erzählerin, die den Fotos nach zu schließen den Lehnstuhl kaum mehr verlassen kann.
Umso willkommener ist daher die Neuauflage dieses Live-Mitschnitts von 2005, im wohlfeilen Doppelpack mit Ton- und Bildträger. Eine veritable Werkschau vom Jagger/Richards-Erstlingshit “As Tears Go by” über das packende Lennon-Cover “Working Class Hero” und die unvermeidliche “Ballad Of Lucy Jordan” bis hin zu Titeln aus Marianne’s damals aktuellen Studio-Ouevre “Before The Poison”, auf dem sie übrigens erstmalig mit Warren Ellis und P.J. Harvey zusammenarbeitete. Ihre musikalischen Mitstreiter rekrutierten sich aus bekannten Szenegrößen wie dem Bassisten Fernando Saunders (Jeff Beck, Lou Reed), dem langjährige Sidekick Barry Reynolds an der Gitarre (Joe Cocker, Grace Jones, Sly & Robbie, BLACK UHURU …) und dem formidablen Drummer Courtney Williams, der schon mit 16 bei RUN DMC für Furore sorgte. Für die kongenialen Trompeten-Soli zeichnete keine Geringerer als BLOOD, SWEAT & TEARS-Legende Lew Soloff verantwortlich.
Mit damals schon knappen 60 bewies die Lady eine grandiose Bühnenpräsenz und erzeugte mit ihren begrenzten vokalistischen Mitteln ein Maximum an Emotionalität, die das begeisterte Publikum mit Beigeisterungssürmen zu honorieren wußte.
Die DVD hat im Gegensatz zur CD die komplette Setlist in petto, inklusive einer faszinierenden Version von “Sister Morphine”, die Bonus-Features beinhalten ein Interview mit der Künstlerin und das Video-Portrait “There’s A Ghost”.
Wer’s noch nicht in der Sammlung hat sollte hier unbedingt zuschlagen!