Der australische, aber eigentlich extraterrestrische, 62-jährige, aber eigentlich zeit- und alterslose, Alternative-Rock-Gigant, aber eigentlich undefinierbare Nick Cave und seine ebenso makellosen Bad Seeds – gemeinsam zählen sie zu den wenigen Rock-Acts, die mit der Zeit immer nur besser und besser werden. Und das nach nahezu 40 Jahren unter diesem Titel. Gegründet, nach der Auflösung der noisigen Post-Punk Band THE BIRTHDAY PARTY, im Jahr 1983, begannen Cave und die Bad Seeds ähnlich lärmig, mit einem Hauch von Blues und einem weiteren Hauch von Leonard Cohen. Somit war bereits das Debütalbum „From Her To Eternity“ ein äußerst interessantes. Trotzdem nach dem jüngsten Output der 7-köpfigen Band, sehnt man sich kein bisschen nach dem eingeweidigen Krach und Zorn, den die Band seinerzeit abgeliefert hatte. Und wenn doch, dann verabreichte Cave seinen Old School-Fans erst kürzlich den dementsprechenden Fix mit seinem kurzen Side-Projekt GRINDERMAN. Das 2013 veröffentlichte „Push The Sky Away“ konnte eigentlich kaum großartiger sein: Lyrisch ausgeklügelt und attraktiv, musikalisch engelsgleich und live in einen Wall of Noise verwandelt. Der Dokumentarfilm „20,000 Days on Earth“, der kurz darauf erschienen ist, gewährte Einblicke in die geniale Psyche von Cave. Aufgrund des tragischen Todes seines Sohnes im Jahr 2015 war die Zukunft von Nick Cave ungewiss. Womit man allerdings nicht rechnete, war die Veröffentlichung des wohl magischsten Nick Cave-Albums überhaupt. „Skeleton Tree“ erschien 2016 in Kombination mit einer weiteren Doku „One More Time With Feeling“. Der Film, der nicht geschmack- und kunstvoller mit dem „Elefanten im Zimmer“ umgehen hätte können, ist mindestens so berührend, wie er deprimierend ist. Die neun Nummern auf „Skeleton Tree“ enthalten alle eine quälende Schönheit, eine Leistung, die selten zuvor woanders in der Musikwelt vollbracht wurde.
Langer Rede kurzer Sinn – das siebzehnte Studioalbum von NICK CAVE & THE BAD SEEDS ist erschienen. „Ghosteen“, wie der Titel impliziert, beschäftigt sich auch mit dem Verlust seines Sohnes, mit der Trauer, mit Existentialismus, aber auch mit Glaube und Optimismus. Sehr ähnlich strukturiert wie „Skeleton Tree“, fesseln die acht atmosphärischen und abstrakt-arrangierten Titel ihre Zuhörer auf ihre Sitze und erzwingen Aufmerksamkeit. Für diese grandiosen Alben der letzten Jahre war nicht einmal eine Neuerfindung notwendig – Nick Cave hat einfach sein Leben gelebt, sich entwickelt und den natürlichen Weg zu diesem genialen Material gefunden.
Den passenden Gegensatz zu „Ghosteen“, das nahezu Ambient Music ist, bieten die Live Shows der Bad Seeds, die konfrontativ, laut, körpernahe und chaotisch sein können. Für alle Leute, die am Mond leben: NICK CAVE & THE BAD SEEDS kehren am 1. Juni 2020 zurück in die Wiener Stadthalle und ob sie ihr letztes Konzert in der Halle D 2017 toppen können, wird sich weisen.