OUR SURVIVAL DEPENDS ON US

Ein Gespräch mit Thom Kinberger (Git/Vox)

Ich gehe davon, dass einem Teil unserer Leser der Name OUR SURVIVAL DEPENDS ON US durchaus ein Begriff ist, aber vielleicht gibt es ja doch einige, die euch noch nicht kennen. Sei bitte so nett und stell die Band in ein paar Sätzen vor.

Ein Journalist hat uns mal als autonome Doom Einheit bezeichnet, so falsch ist er damit nicht gelegen. Wir sehen uns aber auch als Künstlerkollektiv, das über die klassische Band Konstellation hinausgeht. Mucho`s Bilder beschäftigen sich mit Krieg und Religion, Barth schreinert Skulpturen aus Holz, die auch ausgestellt werden. Ich schreibe immer wieder Artikel, auch ein Buch von mir wurde bereits verlegt. Hajot veröffentlicht demnächst ein „Spoken words“ Album in Zusammenarbeit mit einer humanistischen Lyrikerin in mehr als 50 verschiedenen Sprachen. OUR SURVIVAL DEPENDS ON US ist aber auch Andockstelle für andere Kreative, wir sind da sehr offen für gemeinsame Projekte.

Das Datum der Veröffentlichung eures letzten Release „Scouts On The Borderline Between The Physical And Spiritual World“ liegt ja schon einige Zeit zurück. Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass ihr fleißig an eurem neuen Album werkt: Wann kommen wir in den Genuss der Songs bzw. wie weit sind die Arbeiten bereits fortgeschritten?

Im Sommer sind wir auf unsere Alm in die Berge rauf, haben uns für mehrere Tage dort eingerichtet und unser Kommunenleben geführt. Hier sind dann aus den vielen Songideen echte Kompositionen geworden. Das war ein harter und schmerzvoller Prozess, weil wir eben eine echte Band mit fünf Künstlern sind, die alle auch ins Songwriting eingebunden sind. Die Herausforderung ist dann immer, bei den vielen Möglichkeiten und Ideen an einem Punkt zu sagen: „So, das ist jetzt die Marschrichtung und der Charakter des Songs!“ Natürlich müssen da auch alle Egos unterkommen, das ist echt keine leichte Arbeit, hier fließen Blut und Tränen! Wir haben die Recordings mittlerweile abgeschlossen und im Mai geht es dann zum Mixen und Mastern ins Woodshed Studio zu Victor Santura (TRIPTYKON) und Michi Zech (SECRETS OF THE MOON). Wir schätzen die beiden sehr und ich freue mich auf ihre Interpretation unserer Songs. Der Mix ist bei einer Musik, wie wir sie machen, von enormer Bedeutung. Ein klassisches Death Metal oder Vintage Rock Album gibt dir ja gleich mal eine ganze Liste an Referenzen vor. Eine OUR SURVIVAL DEPENDS ON US Produktion kannst du nach RUSH klingen lassen oder wie NEUROSIS interpretieren, wenn du weißt, was ich meine.

Was kannst du uns über die Musik verraten? Gibt es Überraschungen oder geht ihr konsequent den Weg weiter, den ihr mit „Scouts On The Borderline Between The Physical And The Spiritual World“ eingeschlagen habt? Also ruhige intensive Klänge gemischt mit sehr treibenden groovigen Songs?

Das neue Album wird der Hammer! „Melting The Ice In The Heart Of Men“ wird es heißen. Ich freue mich schon sehr darauf. Wir haben dem Drang nachgegeben und die Songs wachsen lassen. Sie wurzeln wie ein Baum in der Erde dort wo PINK FLOYD und LED ZEPPELIN begraben sind, entwickeln sich als rauer Post Metal bis rauf in die okkulten Zweige des Doom und zu den psychedelischen Blüten unserer kauzigen Gedankenwelt. Auf „Scouts...“ haben wir sehr harte Stil-Kontraste zugelassen, das neue Album ist konsequenter und noch klarer in der Aussage.

Werdet ihr auch beibehalten, dass sowohl Mucho, Barth als auch du für einen Teil des Gesangs zuständig sind / bist? Ich finde diese Aufteilung absolut großartig, da ihr alle den jeweiligen Songs mit eurer Stimme eine sehr persönliche Note hinzufügt.

Klar, das ist sicher ein besonderes Merkmal und eine unserer Stärken. Besonders weil wir live darauf zurückgreifen können. Wir spornen uns damit auch immer gegenseitig an, denn jeder will die intensivste Darbietung abliefern. Interessant ist, dass wir oft erst im Studio die Gesangsstimmen festlegen. Da hören wir am besten welche Stimmfarbe und welches Feeling notwendig ist, um einen Song oder einen bestimmten Part den nötigen Charakter zu geben. Auch zwischen Live und Aufnahme arrangieren wir unterschiedlich. Es gibt bei einem neuen Stück einen sehr ruhigen, mantrischen Teil, der in der Live Version mehrstimmig aufgebaut ist, um die richtige Spannung zu erzeugen. Die Studioaufnahme brauchte jedoch mehr Intimität, darum ist hier nur eine Stimme zu hören, alles andere hätte zu viel Unruhe erzeugt. Du siehst, wir nehmen den Kompositionsvorgang sehr ernst und arrangieren immer im Geiste der Stimmung und der Emotion.

Eure Lyrics sind sehr bewegend und viele eurer Fans können sich damit identifizieren. Kannst du uns ein bisschen etwas über die Texte der neuen Songs verraten?

Die Texte arbeiten diesmal auf zwei definierten Ebenen. Die Erste ist eine vordergründig gesellschaftspolitische. Das klingt eigenartig, weil wir uns als spirituelle Wesen verstehen. Aber genau das macht den Unterschied. Wir sind spirituelle Wesen mit einem materiellen Aspekt, nicht umgekehrt! Und diese Körperlichkeit ist natürlich gewissen Grenzen unterworfen. Wir arbeiten, essen, altern und wir teilen die Welt mit andere Menschen. Dieser letzte Umstand zwingt uns zur Auseinandersetzung mit unseren gesellschaftlichen Konventionen. Wer hat Macht, wie wird sie eingesetzt und inwieweit bin ich davon betroffen? Ich rede hier nicht von Reformation oder Ideologie. Ich rede von unserer gegenwärtigen Lage. Klar, die Befreiung des Arbeiters ist vollzogen. Aber welche Macht hat der Einzelne in einer von Materialismus indoktrinierten Welt? Er kann sich keine Medien kaufen, um seiner Sache eine Stimme zu geben. Er kann sich keine Lobbyisten kaufen, um Gesetzesinitiativen anzustoßen. Er kann sich keine privaten Ärzte kaufen, die sein Leben verlängern. Er kann sich keine teuren Elite-Unis leisten, um an die Schalthebel der Wirtschaft zu gelangen. Die zweite Ebene ist die metaphysische. Hier tauchen wir in ein Universum der Transzendenz ein.

Wie gestaltet sich das Songschreiben bei OSDOU? Macht ihr das, wenn ihr alle beisammen seid oder arbeitet jeder für sich an den Stücken? Seid ihr euch immer einig, in welche Richtung es gehen soll oder gibt es hier auch öfters Meinungsverschiedenheiten? Gibt es Hauptsongwriter oder sind alle Bandmitglieder am Prozess beteiligt?

Der Songwriting Prozess ist sicher die aufwendigste Arbeit. Wir alle haben einen sehr breiten musikalischen Geschmack und die unterschiedlichsten Vorstellungen wie ein Song klingen kann. Das Problem ist, wenn wir komponieren, ich das Lied schon komplett ausarrangiert im Kopf höre. Blöd, dass das die anderen auch tun. So ist es möglich, dass wir gemeinsam am selben Stück arbeiten, aber jeder andere Vorstellung von der Dynamik, der Dramaturgie und der Instrumentierung hat. Das habe ich vorhin damit gemeint, weshalb wir so lange an den Songs arbeiten, bis wir uns sicher sind, den Charakter des Stückes zu verstehen und bestmöglich auszuarbeiten. Für uns ist es undenkbar, zuhause Songs zu schreiben, so wollen wir nicht arbeiten. Wir sind eine Band und erst durch die verschiedenen Ebenen der Persönlichkeiten kommt etwas Besonderes dabei heraus. Eine Band ist eben mehr als die Summe der einzelnen Teile. Das ist ein heiliger Prozess, wir wollen experimentieren und scheitern, erschaffen und über uns hinauswachsen.

Aus wessen Feder stammen die Lyrics? Entstehen zuerst die Lyrics und dann wird ein Song dazu geschrieben oder werden die Texte erst geschrieben, wenn die Musik steht?

Die Texte schreibt zum überwiegenden Teil Mucho. Er arbeitet da sehr, sehr gewissenhaft. Jedes Wort wird konjungiert, frag ihn nach Präsens und Präteritum, nicht zum aushalten! Er schreibt oft den gesamten Text um, wenn er das Gefühl hat, durch kleine Details die Aussage oder die Intensität zu verbessern. Der Mann ist extrem talentiert, aber auch sehr fanatisch, was das betrifft. Wir hatten neulich eine harte Auseinandersetzung über eine Gottesmetapher und ob wir es durch die Ich-Form mit einem zornigen Gott zu tun haben, was durch die Wir-Form komplett verändert wäre. Da kann man schon mal die Nerven wegschmeißen! Am Ende des Tages ist das aber auch das Geheimnis eines starken Textes. Die Bilder, die im Kopf erzeugt werden, müssen Kraft haben und die Geschichten sollen das Herz berühren.

Ich gehe davon aus, dass ihr weiterhin mit Ván Records zusammen arbeitet. Wie seid ihr zum Deal mit dem Label gekommen?

Wir haben schon darüber gesprochen und freuen uns, weiter mit Ván Records zu arbeiten. Hier stehen der Künstler und die Liebe zur Musik im Vordergrund. Vor allem bewundern wir den Mut von Labelchef Sven Dinninghoff, ein musikalisches Universum zuzulassen, in dem alles erlaubt ist und es doch eine klare Linie gibt. Einen Ván Release kannst du blind kaufen, Musik und Gestaltung sind immer außergewöhnlich. Deshalb war Ván von Anfang an unser Wunsch-Label und daran hat sich nichts geändert. Eigentlich haben uns früher schon die Leute aus der Branche gesagt, dass wir eine typische Ván Band sind. Sven hatte also gar keine andere Wahl, als die verrückten Österreicher aufzunehmen. Ich glaube er fühlt sich mit uns sehr wohl, wir lieben den Mann!

OSDOU sind ja jetzt nicht unbedingt die massiv tourende Band. Ist das nicht so euer Ding oder liegt es einfach daran, dass ein Teil der Bandmitglieder schlicht und ergreifend fixe Jobs hat und mit den Urlaubstagen haushalten muss?

Wir haben unsere Europa Tour mit SECRETS OF THE MOON und DODHEIMSGARD sehr genossen. Und auch Freizeit haben wir genug, aber wir überlegen uns sehr genau, was für uns Sinn macht. Wir lehnen sehr viele Angebote ab und ich hoffe, uns ist deshalb niemand böse. Wichtig ist uns die Erfahrung, die wir selber bei einer Show machen können. Unsere Show zur Wintersonnenwende in Reykjavik, die Stimmung beim Hell Over Hammaburg oder das kolossale Acherontic Arts Festival waren Erlebnisse, die wir mit dem Herzen aufgenommen haben. Für uns ist jedes Konzert etwas Besonderes, deshalb können wir gar nicht alle Angebote annehmen. Wir wollen natürlich auch für das Publikum und die Veranstalter etwas Besonderes sein, darum wird es von uns nie eine Ochsentour geben, bei der wir in jeder Steckdose spielen. Das würde zu OUR SURVIVAL DEPENDS ON US auch gar nicht passen.

Euer nächster Gig findet Ende April in Glasgow am „North Of The Wall“ Festival statt. Ich denke, das wird ein ziemliches Highlight, oder?

Darauf kannst du Gift nehmen! Diese Show wird ein Ereignis sein. Erstens hat das Festival einen sehr guten Ruf und zweitens treffen wir dort oben viele gute Freunde, auf die wir uns sehr freuen. Außerdem ist Schottland sowieso der Hammer! Hast du die Bands gesehen die dort spielen? Ein Traum!

Der Abschluss eurer Liveaktivitäten 2017 markierte das „Eindhoven Metal Meeting“. Berichte doch kurz über deine Eindrücke vom Festival und vor allem von eurem Auftritt.

Das EMM war für uns besonders interessant. Wir haben einen tollen Slot um 20:45 zur Prime Time bekommen und das Festival ist als hochkarätiges, aber reines Metal Event bekannt. Es war spannend zu sehen, ob das Publikum bei uns bleibt oder zur anderen Bühne wechselt. Und wir waren sehr erfreut, dass eine OUR SURVIVAL DEPENDS ON US Show auch dort perfekt funktioniert. Die Leute waren begeistert! Auch der Merch-Absatz ist ein Indikator, ob man neue Hörer erreichen kann und wir haben hervorragend verkauft! Das Festival ist wirklich großartig, sehr selten findest du einen derart perfekten Ablauf, die Organisation war hoch professionell, vor allem die Bühnencrew war der Wahnsinn. Trotz Dauer-Umbau für die vielen Bands gab es keine Verzögerungen und einen extrem sympathischen Crew Support. Das ist nicht selbstverständlich. Mucho und Barth waren ja selber jahrelang als Tourcrew unterwegs und wissen genau, wann Profis am Werk sind.

Wann dürfen wir hier in Österreich wieder mit einer Liveshow von OSDOU rechnen? Gibt es schon vage oder fixe Pläne für eine Tour, sobald das neue Album veröffentlicht wurde?

Wir werden erst im Herbst wieder live in Österreich spielen. Momentan konzentrieren wir uns noch völlig auf das neue Album. Wir gehen davon aus, dass es Ende des Jahres in den Läden stehen wird. Natürlich werden wir „Melting The Ice In The Heart Of Men“ mit einer Tour promoten. Dafür schauen wir uns nach geeigneten Bands um, ein x-beliebiges Package kommt für uns nicht in Frage.

Das war es von meiner Seite erst einmal, vielleicht hast du noch ein paar Abschlussworte für die Musikatlas Leser?

Danke für deinen Support Anita! Danke an alle, die neugierig sind und gerne aufregende Musik entdecken!

Wir können es kaum erwarten, bis wir das neue OUR SURVIVAL DEPENDS ON US Album in Händen halten und werden bis dahin wohl „Scouts On The Borderline Between The Physical And Spiritual World“ noch öfters im CD-Player rotieren lassen, denn der Magie dieser Musik kann man sich kaum entziehen.

Photo Credits: OSDOU