Die meisten etablierten Musiker denken im Alter von 62 über ein “Greatest Hits”-Album nach, um danach mit einer gleichnamigen Tour wieder die Kassen aufzufüllen. Nicht so Paul Weller – der ist und bleibt immens krativ und legt mit “On Sunset” seine viertes Album seit 2015 vor, dabei sind der “Jawbone”-Soundtrack und die ausgeprägt experimentelle EP “In Another Room” gar nicht berücksichtigt.
“On Sunset” ist in der Schnittmenge letzterer und des eher biederen Vorgängers “True Meanings” angesiedelt. Klingt verwegen? Ist es auch: der Opener “Mirror Ball” beginnt mit Sphärenklang und gleitet nahtlos in einen souligen Groove, der dann abrupt von einem nahzu atonalen Mittelstück abgwürgt wird um dann von Keyboard- und Gitarren-getrieben G-Funk Kaskaden seinen Ausklang zu finden. Der darauf folgende Midtempo-Faserschmeichler “Baptiste” versteht den Blutdruck wieder nachhaltig zu senken, mit dem epischen Motown-Shuffle “More”, ein Duett mit der französisch singenden Julie Gros samt dramatischer Bläser-Inszenierung steht uns schon das erste Highlight ins Haus. Der gefällige, mit sonnigen “Ah Ah’s” verbrämte Titelsong, sollte dann auch die letzten, anfangs geschockten Alt-Fans hinlänglich versöhnen können.
Es empfiehlt sich der Kauf der Deluxe Edition, der Bonus Track-“Ploughman”, mit kess angedeutetem Steve Miller-“Fly Like An Eagle”-Gedenkriff und nonchalanten Big Band-Sprengseln, ist definitiv auch eine Klasse für sich.