RAY WILSON The Weight Of Man

Jaggy D / Soulfood

Nachdenklich und gereift

Ray’s “claim to fame” war lange Zeit sein One Hit Wonder-Status mit STILTSKIN und seine Kurzauftritt bei GENESIS, wo er in Phil Collins’ große Fußstapfen trat und nach dem kommerziellen Misserfolg von “Calling All Stations” das Handtuch werfen musste.

Mit mittlerweile rund 20 Studio- und Live-Alben im Gürtel hat sich der sympathische Schotte eine sehr feine Karriere-Leiter gezimmert, als famoser Songschreiber, dem statt breitenwirksamen Chart-Appeal Ehrlichkeit, große Emotionen und handgemachte Musik wichtig sind und der genau deswegen auf eine treue, kontinuierlich wachsende Fanbase zählen kann.

Nach seiner Werkschau “Upon My Life” (2019) traten auch für ihn herausfordernde Zeiten ein: Ob wohl seit Jahren in Polen beheimatet ging der Brexit an ihm nicht spurlos vorüber und der COVID-bedingte Ausfall jeglicher Live-Aktivitäten war anfänglich nicht leicht zu verkraften. Dann machte Ray Wilson aus der Not eine Tugend, spielte digitale Konzerte und finanzierte sein neues Langeisen “The Weight Of Man” mittels Crowdfunding-Kampagne.

Der Titel war in Anbetracht der seit 2020 herrschenden Lebensumstände wohl gewählt, Ray ließ uns anhand von drei Vorab-Tracks an der Entwicklung des Albums teilhaben und so manche Kritiken bezeichnen es als sein stärkstes Werk überhaupt.

Das Gros der Songs schlägt die Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, es geht um Hoffnungslosgkeit und Zuversicht, um Wahrheit und das oft schmerzliche Vermissen dieser. Zuweilen ist ein gewisser Sarkasmus nicht zu überhören, zuweilen wird die Weltpolitik thematisert und man kann sich sukzessive des Eindrucks nicht erwehren, dass man hier persönlich angesprochen wird.

Das überaus besinnliche “Mother Earth” war die Lead-Single des Albums und wurde von vielen als stilistischer Wegweiser für das Album empfunden. Stimmt zum Teil, da wären das offensichtlich sehr persönliche, etwas wehmütige “Almost Famous”, die bewegte Reminiszenz “We Knew The Truth Once” und “I, Like You”, die Auseinandersetzung des Künstlers mit der Pandemie. Auf “Amelia” kommen dann jedoch zarte Prog-Tupfer zum Tragen und das eingängige “The Last Laugh” belegt wieder mal unmissverständlich, dass sich der Mann seiner, wenn auch kurzen, GENESIS-Vergangenheit nicht entziehen kann (und will).

Ein Highlight hat er sich für den Schluss aufgehoben – “Golden Slumbers”, ein BEATLES-Song, den Ray schon mal im Rahmen eines Tribute-Projekts eingesungen hatte und der hier in hinreissender Darbietung vertreten ist. BEATLES-Kenner werden wissen dass “Golden Slumbers” im Original nahtlos in “Carry That Weight” übergeht, was könnte “The Weight Of Man” wohl besser beschließen als die Textzeile “You’ve got to carry that weight”?

Ich kann mich der oben angeführten Kritiker-Meinung nur unumwunden anschließen. Thank you, Ray!

https://raywilson.net