ROSS JENNINGS A Shadow Of My Future Self

Blacklake Records / Bertus

"A man of many styles and of impeccable taste" – auf den Punkt gebracht

Ross Jennigs wird hierzulande den wenigsten ein Begriff sein, selbiges gilt auch für seine beiden Stammbands HAKEN und NOVENA. Dabei werden HAKEN als große Nummer im Prog-Szenario gehandelt, das Video ihres Vorzeigesongs “The Cockroach King” hat über zwei Millionen Klicks auf Youtube eingefahren. Gar nicht schlecht für Protagonisten eines Genres, dem längst die große Breitenwirkung abhanden gekommen ist. Dass HAKEN eine große Fanbase haben ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass die Engländer mit ihrer Reverenz für den Sound der Altvorderen wie GENTLE GIANT nicht hinterm Berg halten aber diese mit einer deutlich metallischen Komponente verquicken.

Wie so vielen seiner Kollegen machte die Pandemie einen Strich durch sämtliche Tournee-Pläne und Ross beschloss ein Solo-Album aufzuehmen. Die Songs hatte er fertig, aber mit wem sollte er sie einspielen? Schlussendlich fiel die Entscheidung mit völlig neuen Musikern aufzunehmen, niemand von HAKEN oder NOVENA war auf “A Shadow Of My Future Self” dabei. Und das war auch irgendwie die Lösung für ein gängiges Dilemma: Wenn die Solo-Scheibe zu sehr nach deiner Band klingt ruft es Kritiker auf den Plan, wenn sie in eine komplett andere Richtung geht wird ebenso gemotzt. Mit seinem Faible für qualitative hochwertige Pop Musik hatte Ross nie hinterm Berg gehalten und so ist “A Shadow Of My Future Self” definitiv überraschend ausgefallen. Überraschend facettenreich, überraschend eingängig und – um das Kind beim Namen zu nennen – auch überraschend kommerziell, obwohl da und dort auch mal knackiges Riffing um die Ecke kommt, quasi als Trostpflästerchen für irritierte Proggies.

So kann der Vorzeige-Track “Violet” mit angemessener Frickel-Komponente aufwarten, die Lead-Single “Words We Can Unsay” dann mit grandioser Hookline und ebensolcher Brass-Section. “Rocket Science” ist noch lupenreiner AOR und ansonsten dominieren Folk-Klänge (“Since That Day”), Slow Blues-Exzellenz (“Young At Heart”) und Momente stiller Reflexion (“Third Degree”). Das 12-minütige “Phoenix” ist großes Kino in bester Neal Morse / Nick D’Virgilio-Tradition, mit traumhaften Vocals, amtlicher Instrumentierung und Spannungsaufbau aus dem Lehrbuch.

Ein fundamentales Werk, das dem Mann eine neue Fanbase erschließen und auch die HAKEN-Community – mit etwas Toleranz – bei Laune halten sollte!

rossjennings.co.uk