Auch wenn die bisher Veröffentlichungen dieser US-Band durchaus positive Kritik einheimsen konnten, dürfte es in erster Linie an Frontelfe Adrienne Cowan gelegen haben, dass sich die Formation in Europa bereits einen gehörigen Bekanntheitsgrad erspielen konnte. Die junge Dame wurde nämlich vor geraumer Zeit von Tobias Sammet rekrutiert, und wusste bei AVANTASIA mehr als nur respektable Beiträge abzuliefern. Auch deren Produzent Sascha Paeth weiß die Stimmgewalt zu schätzen, und hat Adrienne kurzfristig als Sängerin für sein Projekt MASTERS OF CEREMONY engagiert.
Doch auch völlig unabhängig davon konnte die seit einiger Zeit als Gesanglehrerin tätige „Berklee College“-Absolventin schon mehrfach mit variablen Gesangsdarbietungen imponieren. Klar muss man Frauengesang, der von zerbrechlich und sanftmütig über auslandend opernhaft bis hin zu rabiat und brutal reicht, auch mögen, um ihre Vorstellungen entsprechend zu goutieren. Da es Adrienne jedoch gewieft vermeidet, sich allzu sehr auf eine einzige Gangart zu limitieren, lebten sowohl das 2020er SEVEN SPIRES-Epos „Emerald Seas“ wie auch das 2021 veröffentlichte „Gods Of Debauchery“ vor allem von ihrem ausgewogenen Gesangsbeitrag.
Doch auch die Kompositionen selbst sind überaus gefällig und abwechslungsreich gestaltet. Man changiert von melodisch und bombastisch über symphonisch-klassisch bis hin zu brutal. Dass die Stimme dabei ab und zu sogar in derbe Guttural-Abgründe tendiert, müsste meiner bescheidenen Meinung zwar nicht unbedingt sein, die Nummern selbst werden dadurch aber zum Glück ohnehin nur zusätzlich belebt.
Als nicht minder variantenreich dürften sich demnach auch Konzerte von SEVEN SPIRES erweisen. Nachzuhören aktuell auf "Live At ProgPower USA XXI", das im Vorjahr beim renommierten Festival in Atlanta, Georgia mitgeschnitten wurde. Dabei lieferte die Band einen Querschnitt ihres bisherigen Schaffens, und wusste die zu jenem Zeitpunkt bereits einigermaßen euphorisierte Meute vor der Bühne immer wieder zum Mitmachen zu animieren.
Unbeantwortet bleibt zwar die Frage, ob sich an der Umsetzung der Tracks etwas ändern würde, wenn die symphonischen Passagen nicht aus der Konserve kommen würden, doch die Entscheidung der Formation ergibt nicht nur finanziell Sinn. Zudem ist anzunehmen, dass die Stimmung dann vielleicht nicht ganz so enthemmt und locker gewesen wäre. Allein die Platzverhältnisse für die Musiker:Innen wären dann nämlich einigermaßen eingeschränkt gewesen, und der Auftritt selbst wohl nicht ganz so enthusiastisch gefeiert worden.
Genau das scheint für die zwar nicht unbedingt „natürliche“, aber definitiv mitreißende, und durchwegs authentische Umsetzung von Songs wie ‚Ghost Of Yesterday‘ oder ‚The Cabaret Of Dreams‘ gesprochen zu haben. Gute Idee, die Entscheidung gibt der Band recht! Das gilt auch für den Longtrack ‚This God Is Dead‘, der in der auf diesem Live-Dreher verewigten Version wohl am besten zur Geltung kommen kann. Und das nicht nur, weil Roy Khan, der bereits die Studioversion veredelte, als Gast auf die Bretter gebeten wurde und zusammen mit der bis zum Ende des Gigs stimmgewaltigen und sympathischen Adrienne ein wahre Gänsehaut-Performance hinlegt!