SNOWY WHITE

Willkommen im Lockdown

Ein regnerischer Vormittag kurz vor dem aktuellen hiesigen Lockdown. Es waren Interviews mit Snowy White angeboten, mit dem Solo-Künstler, un(frei)williger Guitar-Hero bei THIN LIZZY und langdienender Roger Waters-Sidekick auf diversen “The Wall”-Tourneen – da gab’s kein Zögern, eh klar! Ich wählte eine englische Telefonnummer und hatte gleich darauf Mr. White an der Strippe, gerade selbst im Lockdown.

“Es ist gerade eine sehr herausfordernde Zeit und ich bin zur Untätigkeit verdammt weil ich schon zu alt bin … Nein, im Ernst, ich hatte Glück und konnte im Februar noch ins Studio gehen und mit meinem Sohn Thomas die Backing Tracks für das neue Album aufnehmen. Wir schafften das gerade vor dem ersten Lockdown und dann hatte ich ohnehin ausreichend Zeit, mich den Gitarren- und Gesangsparts und diversen Overdubs in meinem kleinen Heimstudio zu widmen. Das lief sehr gut da ich sonst ohnehin nichts zu tun hatte (lacht) und ich war eigentlich froh, dass ich das Album während dieser Zeit fertig stellen konnte.”

War’s von Haus aus geplant die Songs im Trio mit deinem Sohn an den Drums und Rowan Barrett am Bass einzuspielen?

“Nein, eigentlich wollte ich nur ein paar Tracks mit den beiden aufnehmen und weitere mit Mitgliedern meiner anderen Band, aber dann kam der Lockdown und ich musste ich den Umständen anpassen und mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten arbeiten.”

Auf dem superben Song “White Flames Chill” spielen dann doch einige langjährige Wegbegleiter wie Max Middleton (keys) und Walter Latupeirissa (bs) …

“Ja, heutzutage kann man ja glücklicherweise Files hin und her schicken und so bekam ich die beiden doch noch auf das Album.”

Wenn man sich die Credits deiner Alben ansieht stellt man fest, dass dich mit den meisten deiner Bandkollegen, wie auch Max und Walter, eine jahrelange Zusammenarbeit verbindet.

“Das stimmt! Richard Bailey, der bei den meisten Alben am Schlagzeug saß, kenne ich seitdem er Sechzehn war. Leider war er diesmal nicht mit von der Partie. Walter keine ich seit den frühen 70ern, als er erstmals nach England kam. Ich bin es mittlerweile richtig gewohnt, mit den Jungs zu spielen, selbst beim Songwriting berücksichtige ich schon, wie sie ihre Parts anlegen werden. Ich spiele gerne mit ihnen und sie mit mir, so never change a winning team!”

Was bedeutet eigentlich der Titel deines neuen Longplayers, “Something On Me”?

“(Lacht) Du bist der erste der fragt! Ich dachte, dass das jedermann interessieren würde … Eigentlich bedeutet es dass jemand irgendwas über mich wüßte, aber genau genommen steckt da nichts dahinter außer dass mir der Titel gefiel.”

Und warum versteckst du sich am Cover Shot hinter deiner Gitarre?

“Auch hier wusste ich, dass man da etwas Geheimnisvolles vermuten könnte, aber tatsächlich hatte ich dieses Foto schon relativ lange und ich dachte, dass es hier passend wäre. Und, wie du vielleicht festgestellt hast, mag ich eigentlich keine Fotos von mir.“

Die 11 Songs auf dem Album sind wie aus einem Guß, feine Grooves meist im Midtempo-Bereich mit grandiosen Solo-Parts. Hast du die aktuell für “Something On Me” geschrieben?

“Danke schön! Weisst du, nach so vielen Alben und so vielen Songs bin ich bei Schreiben oft unsicher, ob ich die eine oder andere Idee nicht schon mal verwendet habe… Meistens beginne ich mit einem Riff oder einer Hookline und dann entwickelt sich der Song daraus – manchmal geht das richtig schnell, manchmal feile ich über Monate daran. Sonst haben meine Musiker auch ihre Ideen beigesteuert, diesmal lag die Verantwortung ganz bei mir. Ein ungewohnter, aber durchaus interessanter Ansatz.”

Zu meinen persönlichen Highlights neben dem oben erwähnten “White Flames Chill” zählt “Get Responsible”, eine unmissverständliche Message ... 

“Es sollte nicht schulmeisterisch klingen, aber ich hatte das Gefühl ein paar Dinge loswerden zu müssen. Es läuft so viel schief auf unserem Planeten, man sollte beginnen nachzudenken …”

… und “Cool Down”, mit einem sonnigen Westcoast-Touch, der ein wenig an Peter Frampton erinnert…

“Oh, danke, ich nehme das als großes Kompliment. Ja, ich dachte dass ich schon so viele ernste Lieder hatte, so schrieb ich einen “Gute Laune”-Song. Und der Groove kommt auch gut, denke ich.”

… wie auch das elegant-funkige “Ain’t Gonna Lean On You”…

“Dieser Song gefällt tatsächlich den meisten Leuten sehr gut. Auch hier haben wir einen ziemlich guten Groove hinbekommen, speziell nachdem ich meinem anderen Drummer Juan Van Emmerloot die Files geschickt hatte und er noch Percussion drauf gespielt hat.”

Und dann wär da noch das Instrumental “Commercial Suicide”, das seinen Titel absolut Lügen straft!

“Der Titel stammt von Thomas, und eigentlich wollte ich schon das ganze Album “Commercial Suicide” nennen. Es ist bemerkenswert, dass auch dieser Song durchwegs großen Gefallen findet.”

Hast du vor, mit dem Album auf Tour zu gehen, wenn der Corona-Wahnsinn halbwegs vorbei sein wird?

“Nein, ich habe nicht mehr vor live zu spielen. Dazu fühle ich mich nicht mehr fit genug, und um ehrlich zu sein, ist mein Gitarrenspiel auch nicht mehr das was es einmal war.”

Nun, diese Meinung kann ich keineswegs teilen, aber man wird deine Entscheidung respektieren.

Good health and the best of luck to you!

snowywhite.com