SPIDERGAWD VI

Crispin Glover / Soulfood

Mehr Gitarre = mehr Classic Rock

Vorhersehbar war diese Band zwar ohnehin noch nie, ein dermaßen überraschend griffiges Album war aber dennoch nicht zu erwarten. Schon klar, dass gewisse Veränderungen des Klangbildes abzusehen sind, wenn im Vorfeld bekannt gegeben wird, dass das Line-Up um einen zweiten Gitarristen erweitert wird. Dass sich der jedoch dermaßen prägend auf das Ergebnis auswirkt, ist wahrlich nicht alltäglich.

Da es sich im vorliegenden Fall jedoch um SPIDERGAWD handelt, ist jegliche Erwartungshaltung im Vorfeld ohnehin zu relativieren. Denn wer den bisherigen Karriereverlauf und die permanente Kursänderung von Album zu Album mitverfolgt hat, dürfte nicht wirklich erstaunt sein, wie einflussreich Brynjar Takle Ohr, der neue Mitstreiter der Norweger an der Sechssaitigen, tatsächlich ist.

Generell ist es zwar immer noch Classic Rock mit Querverweisen aus der Psychedelic und Progressive Rock-Ecke, den wir auf "VI" aufgetischt bekommen, dermaßen nahe an unüberhörbaren Inspirationsquellen wie WISHBONE ASH oder THIN LIZZY lag das Quintett aber noch nie. Die Jungs gehen damit aber auch überaus offenherzig um. So geht etwa 'Prototype Design' glatt als Hommage an die Herren Turner / Powell zu ihrer Glanzzeit durch, während der Band für 'At Rainbows End' ein zustimmendes Nicken von Phil Lynott aus dem Jenseits gewiss ist.

Ob es gedacht war, sich fortan ein wenig interessanter für jene Klientel zu machen, die sich üblicherweise weniger um aktuelle Strömungen und Bands schert, und bevorzugterweise "ihren" Bands treu bleibt, lässt sich zwar nur mutmaßen. An der Tatsache, dass SPIDERGAWD mit "VI" jede Menge neuer Fans in dieser Zielgruppe lukrieren werden, ändert das aber nichts.

Auch, weil im weiteren Verlauf der Spielzeit neben den für die Kompositionen bisher immer schon auffälligen, mal mehr, mal weniger, dezent psychedelisch angehauchten SABBATH-Querverweisen ('Narcissus Eye' lässt von den Riffs gar an die "Heaven And Hell"-Phase denken), auch noch diverse US-Rockgrößen der 70er Jahre als Einflussquelle zu erkennen sind. So hat etwa 'Black Moon Rising' eine Früh-KISS-Schlagseite verabreicht bekommen, während man sich durch die Wucht der Riffs von 'Disidentiy' auch an Leslie West erinnert fühlen darf.

Keine Ahnung, was als nächstes aus dem Hause SPIDERGAWD zu erwarten ist, der Durchbruch scheint für die Norweger jedenfalls zum Greifen nahe. Unter anderem, weil auf "VI" richtig großes Saiten-Kino geboten wird. Aber auch, weil die Jungs wahrscheinlich schon die nächste Überraschung planen. Der nach einer selbstauferlegten, vom Tourstress verursachten Pause zurückgekehrte Saxophonist Rolf Martin Snustad zählt zwar bereits jetzt offiziell als Heimkehrer, konnte sein Arbeitsgerät auf "VI" aber nur sehr selten prominent platzieren. Jede Wette, dass der Kerl eigentlich viel mehr will, kann und demnächst wohl auch darf. Geschätztes Ensemble aus dem hohen Norden, "VII" darf gerne in Bälde eingereicht werden!

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