Sie schufen einen Sound of another World, dies seit 1967 mit ständig wechselnden Formationen auf mehr als 80 Alben und Soundtracks: TANGERINE DREAM rund um den am 20.1.2015 in Wien verstorbenen Mastermind Edgar Willmar Froese. Sein letztes Vermächtnis trägt den Titel „Quantum Gate“ und bietet neun Pulsbeschleunigende Tracks, postum würdevoll zur Veröffentlichungsreife gebracht von der letzten TD Besetzung Thorsten Quaeschning, Ulrich Schnauss (beide Synthesizer), Hoshiko Yamane (Violine, Cello) und dem Artwork von Froeses Witwe Bianca Froese-Acquaye.
Bei dieser Menge an Alben ist es freilich nicht leicht den Überblick zu bewahren, umso mehr, da TANGERINE DREAM über all die Jahre wie bereits erwähnt mit verändernder Besetzung kreativ war. Die einzige beständige Konstante der Band war Edgar Froese, und so wie sich die Besetzung änderte, gab es auch von der Band unterschiedliche Schaffensperioden mit von ihnen selbst benutzte Begriffe - die OHR-Jahre (bis 1973), die Virgin-Jahre (bis 1983), die Jive-Electro-Jahre (bis 1987), die Melrose-Jahre (bis 1990), die Seattle-Jahre (bis 1995), die Millenium-Jahre (bis 2014), sowie zuletzt die Quantum-Jahre. Auf jeden Fall kennen sollte man TD Alben aus den relativen Anfangsjahren, namentlich Alpha Centauri (1971), Zeit (1972), und vor allem Phaedra (1974) und Rubycon (1975). Wem das gut gefällt, wird sich dann soundso auf eine ausgiebige TD Entdeckungsreise begeben - Auswahl, wie gesagt, gibt es ja mehr als genug. Wenn man sich z.B. entscheidet aus jeder Bandphase zumindest ein Album kennenlernen zu wollen kommt man automatisch auch auf das vorliegende Album, denn Quantum Gate ist nicht nur das einzige aus den Quantum-Jahren, es kann zudem generell durchaus zu den stärksten Alben von TD gezählt werden. Die Stärke des Albums liegt in der stimmigen Gesamtheit, die einerseits das musikalische Trademark von TD-Klassikern zutage fördert, gleichzeitig aber ohne Retro-Anstriche oder anderweitige Sentimentalitäten fest in der Gegenwart verankert ist, was vielleicht mit Jón 'Biggi' Birgisson zu tun hat, den man von Sigur Ros-Alben her kennt und der das Mastering übernahm.
Quantum Gate ist gewissermaßen eine musikalische Interwelt, ein Quantenfeld mit modulierten Bewusstseinsebenen. Quantenphilosophische Musik, die, überspitzt formuliert, vom Willen und vom Bewusstsein her gesteuert wird. Ein musikalischer Surrealismus mit komplexen und progressiven Strukturen, genährt aus Sequenzern, abenteuerlichen Rhythmen und großflächigen Klanglandschaften. Kompetenzmusik mit 50-jähriger Erfahrung, die mehr nach Aufbruch in eine neue Bandzeitrechnung klingt als nach letztem Atemzug. Gleich der Einstieg ist ein faszinierendes Stück Musik. „Sensing Elements“ und das nachfolgende „Roll The Seven Twice“ gehören neben dem letzten Stück, „Genesis Of Precious Thoughts“ mit dieser unglaublich schönen Violinmelodie, zu den stärksten Tracks des Albums. Ausgeführt und umgesetzt mit einer atmosphärischen Dichte UND Leichtigkeit, mit einem progressiven Ansatz UND Eingängigkeit. Zwischendurch fällt das Album zwar nicht wirklich ab, hat aber mit dem Tanzbeatdominanten und Layerlastigen „It’s Time To Leave When Everyone Is Dancing“ ein eher gefälliges, nur allzu zeitgeistiges Stück, das möglicherweise sogar Leute anspricht, die sonst eher wenig bis gar keine Berührungspunkte mit progressiver elektronischer Musik haben. Die restlichen fünf Tracks fügen sich dafür umso besser in das konzeptuelle Gesamtbild von Quantum Gate ein und machen das Album zu einer wertvollen Entdeckung und einem würdevollen Abschied von Edgar Froese.